Während Alba und Asti längst touristische Hochburgen sind, liegt das 60 km entfernte Monferrato noch im Dornröschenschlaf.
Die Einheimischen sind zurückhaltend, mit Fremdsprachen wenig vertraut. Da tut es gut, einige Worte Italienisch zu sprechen, um nette Bekanntschaften zu machen oder die Speisekarte zu lesen. Weil viele der Dörfer die obligatorische Trattoria vermissen lassen, bieten Montcalvo und Casale Montferrato Abwechslung.
Autorin Sabine Ruhland
Fotos © foodhunter
Moncalvo hat gerade mal 3.200 Einwohner und rühmt sich, die kleinste Stadt Italiens zu sein, mit dem pittoresken Charme verschachtelter Häuser. Dagegen wirkt Casale Monferrato fast großstädtisch, mit seinem adretten Marktplatz, auf dem an Samstagen Landwirte ihre Produkte feilbieten. Ansonsten locken die Feinkostgeschäfte in der Via della Fracia, der ältesten Fußgängerpassagen Italiens, mit kulinarischen Spezialitäten.
Charakteristisch für die Region: der unbeschwerte Einsatz von Butter und Speck
Die Piemonteser lieben einfache Gerichte aus regionalen Zutaten, so dass sich die Küche trotz der geografischen Nähe zu Frankreich und der Haute Cusine ihren authentischen Geschmack bewahren konnte.
Charakteristisch für die Region ist allerdings auch der unbeschwerte Einsatz von Butter und Speck, was dem ungeübten Magen durchaus zu schaffen macht. Vegetarier werden sich ebenfalls schwer tun, denn kaum ein Menü ohne Fleisch, bevorzugt Sanato, Fleisch von wenige Monate alten Kälbern, die ausschließlich mit Milch ernährt wurden.
Was sollten Sie probieren? Beispielsweise Carne cruda, Vitello tonnato, Agnolotti oder auch das Regionalgericht Bollito misto. Typisch ist die Bagna cauda, eine warme Soße aus Olivenöl, Sardellen und Knoblauch, in die Gemüse der Saison getunkt wird. Wunderbar an kühlen Tagen.
Was alle Produkte auszeichnet: sie sind unverfälscht und werden nach traditionellen Methoden hergestellt und behandelt. – Dazu zählen neben Brot, Fleisch, Gemüse, Nudeln die zahlreichen Käsesorten, allen voran der Castelmagno oder der Ribiola di Roccaverano.
Uneingeschränkte Aufmerksamkeit gilt den Weinen: auf ca. 60.000 Hektar Fläche produziert das Piemont über vier Millionen Hektoliter Wein.
Den kräftigen Barolo, den gehaltvollen Barbera del Monferrato oder den fruchtig-herben Barbera d’Asti. – Essen und Trinken als Lebensphilosophie, weshalb das Piemont seiner Leidenschaft zahlreiche Feste widmet.
- ‚Giornate della Barbera’, Tage des Barbera im April in Agliano
- Festa del Pane’, Brotfest im Mai in Montemagno
- ‚Festa del Grinolino’, Grignolinofest (Grignolino ist eine Traube, die nur im Piemont vorkommt) in Portacomaro,
- ‚Festa delle Cuicine Monferrine’, Fest der Monferrato-Küche im Juni in Montcalvo
- ‚Giornata dell’Olio Piemontese’, der Öltag im Dezember.
Es lohnt sich also, durchaus mal eine Ausfahrt früher zu nehmen. Wo Sie dann Ihre Nächte verbringen sollten – wir sagen es Ihnen.
Palazzo Paleologi
Das antike Örtchen Lu führte einst den Beinamen „Porta del Monferrato“, weil es dank seiner exponierten Lage das Tor zum Piemont war. Für Entdecker des Piemont eröffneten sich ab hier neue kulinarische Genüsse. Wie alles in und um Lu herum, ist auch die Residenz Palazzo Paleologi ein Relikt vergangener Zeiten: Zimmer hinter Mauern aus dem 13. Jahrhundert, aufwendig restauriert und modernisiert. Wo es möglich war, folgte man der „Bio-Architektur“, verwendete Naturstein oder Farben auf Wasserbasis. Zum Haus gehört ein Restaurant, das Antico Monastero Restaurant, dessen Speisen sich auf traditionelle Rezepte von Großmutter Maria stützen. Via Bobba 1, 15040 Lu.
Locanda del Sant’Uffizio
Kurz hinter Moncalvo führt der Weg von der Hauptstraße ab. Ein kleines Sträßchen flattert durchs Weinland bis schließlich auftaucht, was von einem 4-Sterne-Hotel erwartet wird: eine Allee, an deren Ende sich eindrucksvoll ein Palazzo aus dem 17. Jahrhundert erhebt. Das traditionsreiche Gemäuer gilt seit vielen Jahren als bekannte Restaurantadresse, präsentiert sich seit April 2010 als 4-Sterne-Luxushotel. Blütenweiße Ledersessel, Perserteppiche, Fresken, antikes Mobiliar, Gemälde, schmiedeeiserne Tore. Die Gäste entsprechend international, Engländer, Japaner, Mailänder und Turiner Geschäftsleute. Die Frauen schon zum Frühstück elegant, die Herren im feinen Zwirn. Während morgens im Wintergarten gespeist wird, darf es am Abend das Restaurant unter dem Kreuzgewölbe sein, das auf bodenständige Küche setzt. Rund um das Hotel alles, was des Gastes Herz begehrt: Panoramablicke, die Pracht angelegter Gärten, Innenhof-Lounges, eine Poolanlage. 40 Zimmer, alle mit Terrasse oder Balkon. TIPP: Eine der 11 Suiten buchen, denn die bieten für einen geringen Mehrpreis ein Vielfaches an Großzügigkeit. Strada del Sant Uffizio 1, 14030 Cioccario di Penango.
Tenuta “La Tenaglia”
Das Weingut von Sabine Ehrmann. Wunderbar gelegen unterhalb des heiligen Bergs, dem Sacro Monte di Crea. Zum Privathaus, dem Weingut und der Enothek gehören zwei liebevoll eingerichtete Maisonette-Ferienapartments mit Küche, herrlichem Blick in die Weinberge und einem großen Garten mit Pool. Das Weingut bietet Kochkurse, Weinproben und Trüffel-Frührungen. Auch eine Besichtigung des „heiligen Bergs“, der aus einem Kloster und 23 Kappellen besteht, die durch einen schattigen Rundweg verbunden sind, ist unbedingt empfehlenswert. Deutsche Gäste sind bei Sabine Ehrmann herzlich willkommen, wenn sie nicht da ist, kümmert sich Silvia Basso, die perfekt deutsch spricht, um alle Belange. Tenuta “La Tenaglia”, Strada Santuario di Crea, 5, 15020 Serralunga di Crea.
Relais di Charme – Castello di Razzano
Von der Straße aus nicht leicht zu sehen, denn nur ein kleines Schild weist den Weg. Der führt, wie so oft, über eine kleine Allee, um am Ende ein Palazzo auftauchen zu lassen, das Noblesse und Eleganz ausstrahlt. Im Innenhof ein italienischer Garten – Rückzugsoase für die Gäste. Die Zimmer überraschen mit individuellem Charme, denn keines gleicht dem anderen. Holzdecken, Kassettentüren, Dielenböden, offene Kamine und teils antikes Mobiliar verleihen den Räumen Grandezza. Frühstück wird zwar in einem der Salons serviert, ein Restaurant oder eine Bar sucht der Gast allerdings vergeblich. Dafür locken ein neuer Pool, uneinsehbar mit Panoramablick, sowie ein historischer Weinkeller im Inneren der Burg. Località Razzano n.2, 15021 Alfiano Natta. www.castellodirazzano.it
Die Umgebung des Anwesens wirkt bei unserem Besuch noch karg, das ist ja auch 2 jahre her, denn Teich, Park und Pool sind frisch angelegt während das Haus wie ein jahrhundertealtes Gut erscheint. Doch das ist ebenfalls nagelneu, schmückt sich dafür keck mit den geschichtsträchtigen Steinen eines alten piemonteser Gutshofes. Die Liebe zur Kunst, die in diesem Landstrich in höchstem Maße ausgeprägt ist, macht sich auch hier bemerkbar: wohin das Auge blickt, zieren die bunten Bilder von Paolo Novelli die Wände. Im Vergleich zur 600 qm großen Terrasse, die einen herrlichen Ausblick beschert, bietet das Haus nur neun relativ kleine Zimmer. Cascina Palau, 15020 Cereseto. DZ ab 81 Euro inkl. Frühstück. Tel. +39(0)142/940127.
Ristorante da Maria
Kein Touristenfahrzeug weit und breit. Dafür ein Maserati neben einem klapprigen Lieferwagen. Das macht neugierig auf die Gäste des Restaurants. Alle Klischees werden erfüllt. Hier speisen Arbeiter und Industrielle, Alte und Junge, gesellen sich zu den Madonnenbildern auch die Fotos der ortsansässigen Fußballmannschaft. Die Einrichtung ist rustikal-traditionell, die Küche ebenso. Die Rezepte von Großmutter Maria, der das Lokal seinen Namen verdankt, halten die Enkel Giorgio und Roberto, die es heute führen, in Ehren. Also sei empfohlen, sich den Antipasti hinzugeben: dann eilt Roberto alle paar Minuten mit einem neuen Teller herbei und garniert eingelegte Bohnen, Vitello Tonnato, russischen Salat, Tatar. Erlebnisgastronomie auf Piemonteser Art. Netten Gästen wird ein Blick in den Weinkeller gewährt und der lohnt, denn dort lagern u.a. wertvolle Barolos aus den 30er, 40er und 50er Jahren. Zanco di Valladeati, Tel. +39(0)141/902035. Mi geschlossen.
Club Agriturismo Ca’Villa
Der umgebaute Hof hat sich als Standort einen der unzähligen Hügel des Monferrato ausgesucht, was den Gästen abends, wenn die Sonne langsam nach Westen verschwindet, atemberaubende Naturschauspiele beschert. Auf der Terrasse oder am Pool sitzend, ein Glas Bollecine als Apertif, dazu geröstete Haselnüsse von der hauseigenen Plantage – mehr Sinnesreize braucht es nicht. Architekt Marco Villa hat sich mit seinem Ca’Villa einen Lebenstraum erfüllt. Dazu gehört ein stylisches Restaurant in alten Wänden, der Piemonteser Küche zugetan, jedoch feiner angerichtet und mit Spezialitäten wie Zucchiniflan mit Parmesan-Velouté oder Spanferkelfilet bestückt. Dazu gehören aber auch sieben Zimmer im ehemaligen Stall und Haupthaus. Schlammfarbener Putz an den Wänden, gemauerte Schränke, Betten mit Betonsockel, überzogen mit blutrot gefärbter Ziegenhaut. Kaum Farbe, viel Weiß, viel Erdiges. Die Bäder von Künstlern bemalt. Minimalismus und kühle Eleganz, höchst reizvoll für alle, denen weniger mehr ist. So gibt es auf den Zimmern auch keinen Fernseher, dafür eine wunderschöne Lounge im ersten Stock – mit Großbildschirm, den keiner braucht, denn es gibt Panoramafenster. Via Santo Stefano 19, 15020 Gabiano Monferrato. Zimmer ab 80 Euro p.P. inkl. HP. Tel. +39(0)142/945125. www.ca-villa.it