„Nur riechen, nicht probieren“, warnt Andreas Liedschreiber allzu gierige Schnapsliebhaber, wenn er ihnen das Glas mit dem „Vorlauf“ reicht. Ein stechender, terpentinähnlicher Geruch steigt in die Nase. Beim „Nachlauf“ kaum Besserung. Miefig und ölig-dumpf zieht es entlang der empfindlichen Schleimhäute. Dazwischen liegt der Mittellauf, das Herzstück des Destillats. Dieses sauber vom Vor- und Nachlauf zu trennen, ist die wahre Kunst eines Brenners. „Wird dabei nicht korrekt gearbeitet, erkennt es der Konsument am Geruch des geleerten Glases. Dann riecht es muffig statt fruchtig.“ Gleiches gilt für zu kalt servierte Brände. Andreas Liedschreiber ist seit 20 Jahren Destillateur und einer der ersten Edelbrand-Sommeliers Deutschlands. Er hilft, das Gute vom Minderen zu unterscheiden.
Autor Sabine Ruhland,
Fotos ©Foodhunter
„Ein gutes Destillat ist bei Zimmertemperatur zu trinken, damit alle Aromen zur Geltung kommen. Dabei den Kopf leicht nach vorne beugen und Sauerstoff einsaugen. Genießen. Und durch die Nase ausatmen.“ Kälte indessen, so der Experte, unterdrückt Aromen. Idealerweise auch alle Geschmacksdefizite.
Andreas Liedschreiber bringt interessierte Genießer auf die richtige Spur, denn er ist selbst seit 25 Jahren Brenner, seit über 10 Jahren Schnapsprüfer bei Sensorikprüfungen in der Fachhochschule Weihenstephan und gehört zu den ersten zertifizierten Edelbrand-Sommeliers, die nicht in Österreich, sondern in Deutschland diese Ausbildung absolviert haben.
„In jedem guten Restaurant gibt es eine Weinkarte, aber nur selten eine eigene Spirituosenkarte mit charakteristischen Details. Ein Edelbrand-Sommelier hilft, die zur Küche passenden Brände und Liköre zusammenzustellen. Doch nicht nur die Gastronomie profitiert, auch der Endverbraucher erfährt viele Tipps.„Edelbrände und hochwertige Schnäpse lassen sich auch für den Laien von aromatisierten Destillaten unterscheiden: duftet der Inhalt nach dem Öffnen der Flasche intensiv, ist der Inhalt in der Regel mit Aromen versetzt. Reiner Brand riecht auch nach Früchten, aber nie aufdringlich, sondern edel und zart.“
„Wir brennen mit eigenem Quellwasser. Ein unbezahlbarer Luxus.“
Andreas Liedschreiber zeigt uns sein Herzstück. Die moderne Brennanlage. Preis eines Mittelklassewagens. Sein ganzer Stolz. Kaum hörbar bullert es. Der Brennvorgang in vollem Gange. Zu riechen ist nichts. „Gut ist das. Das Destillat soll im Glasballon bleiben und nicht im Raum schweben.“ Heimische Früchte verarbeitet er, Vogelbeere, Holunder, Mirabelle, Johannisbeere, Haselnüsse. Letztere röstete er vor dem Brennvorgang, damit sich die Aromen öffnen. Jede Fuhre die ankommt, geht durch seine Finger, jedes Obst wird geprüft, gewaschen. „Ich will die Frucht selbst in der Hand halten“, sagt er. „Ich will sie in optimaler Reife direkt vom Baum. Was zu früh und grün geerntet wurde, bringt nichts.
Sein hoher Qualitätsanspruch zahlt sich aus. ‚Deutlicher Steinton, sehr fruchtig und ausdrucksstark, lang und breit im Abgang, volle Süße der Kirsche.’ – Mit seinem Sauerkirschbrand hat er eine Goldmedaille geholt. Im Lager ein kleines Eichenfass. „Für den Boskopbrand“, sagt Andreas Liedschreiber. „Boskop und Eiche harmonieren gut.“ Die anderen Früchte kommen in große Steingut-Krüge. 150 Liter fasst ein jeder. Gebrannt wird übrigens mit eigenem Quellwasser, mild und rein und unbelastet. „Ein gutes Wasser zum Brennen ist überaus wichtig, da haben wir großes Glück.“
Kaum weniger kreativ seine Frau Eva-Marie, Expertin für Liköre. „Ich habe schon als Teenager alte Rezepte gesammelt und diese später verfeinert.“ Aber sie hat auch ganz neue Varianten entwickelt wie den Schlehenlikör oder den Kaffeelikör. Allzu süß sind ihre Liköre nicht, sondern fruchtig. Einer hat uns besonders beeindruckt, doch wie sie es geschafft hat, das Tegernseer Dunkelbier in diesen genialen Likör zu verwandeln, bleibt ihr Geheimnis.
Edelbrand Destillerie Liedschreiber
Schafstatt 1
83703 Gmund am Tegernsee
www.liedschreiber.com