Der Abend vor der Zeitumstellung. Die Sundgauer diskutieren heftig über deren Abschaffung. Die Umstellung auf Sommerzeit soll für den Körper ein nicht zu unterschätzender Jetlag sein. So lange die Zeiger zwei Mal im Jahr vor oder zurückgestellt werden, sagen die Elsässer, gilt: Nicht unnötig anstrengen, wenn der Tag „verrutscht“ und es ruhig angehen lassen.
Autor Karin Lochner, Fotos Peter von Felbert
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Daheim haben wir keinen Erfolg bei diesem Ansinnen und statt dessen Knitterfalten im Gesicht. Hier dagegen, in Lutter, in dem zauberhaften kleinen Hotel Auberge et Hostellerie Paysanne scheint ein sanftes Hinüber-Gleiten in die Sommerzeit ganz leicht. Morgens weckt der Hahn mit seinem Kikeriki. Sein Weckruf klingt geradezu entspannt. Ob er deshalb vom Balzschrei eines Pfaus unterstützt wird?
Zum Frühstück geht es zwei Stiegen hinab über knarzende Parkettböden, die sich mit weichen Teppichen ablösen. Es erwarten uns hausgemachte Marmeladen, verschiedene Brotsorten in abwechslungsreichen Knusprigkeitsgraden, Käse- und Wurstspezialitäten aus der Region und die warmen Augenpaare von Hausherrin Carmen und Mutter Christine, die jeden Morgen zuerst gründlich nachfragen, ob wir trotz Zeitumstellung gut geschlafen hätten und anschließend zeitungsraschelnd die Neuigkeiten des Dorfes erwähnen. Neuer Radweg eingeweiht. Viele Karpfen in den Teichen. Morgen Führung in der Ruine Landskron. Irgendwo gackern Hühner und Christine will wissen, ob wir Eier möchten. So beginnt ein vielversprechender Tag.
Mittags, nachdem man sich ein wenig am Karpfenangeln versuchte (mit mässigem Erfolg) serviert Carmen einen frühlingssaftigen Salat mit den ersten gartenfrischen Kräutern und Radieschen. Es folgt ein kleiner Mittagsschlaf und der Versuch des Wieder-Wach-Werdens mit einem selbst gebackenen Guglhupf zum Café au lait (mit sichtbarem Erfolg).
Am frühen Abend ist es warm genug, um auf der blumenumrankten Terrasse das Abendgericht zu wählen. Eingenommen wird das Festmahl dann im Innenraum neben einem Kachelofen („Sollen wir schüren?“) mit seinem liebevoll drapierten Blumenschmuck auf Spitzendeckchen und unserem eisernen Vorsatz, auf einen der vier Gänge zu verzichten (ohne Erfolg). Nachdem die gefüllten Rüben, die Gänseleberpastete, ein vorzügliches Rinderfilet und eine Schokotarte von unseren diversen Tellern verschwunden sind, steigen wir wieder über weiche Teppiche und knarzende Stufen zwei Stockwerke nach oben und akzeptieren die Bewerbung unserer daunenweichen Betten um den aktuellen Austragungsort für eine sehr lange Nachruhe (mit überwältigendem Erfolg). Morgens kräht der Gockel wieder sein müdes Krächzen. Die Sonne scheint und wir sitzen längst am Frühstückstisch. Der Hahn, sagt Carmen, ist noch in der Winterzeit.
Auberge et Hostellerie Paysanne
1, rue de Wolschwiller 68480 Lutter
Tel. +33 (0)3 89 40 71 67
www.auberge-hostellerie-paysanne.com
FOODHUNTER-Übernachtungstipp:
Auberge du Paradies
Um dorthin zu gelangen, durchquere ich nach dem Ortsende von Strueth einen Wald auf Schotterstraßen. Als ich eine knarzende Tür öffne, fällt mein Blick auf rauen Putz an den Wänden, eine offene Feuerstelle und karierte Tischdecken.
Ich bestelle wieder Gewürztraminer. Ein anderer Wein erschiene mir mittlerweile verwegen. Der Sohn des Hauses, Koch Jean-Matthieu Emberger hat diesen Fachwerkbau, in dem wir sitzen, hierher gebracht. Er schiebt seine Kochmütze hoch und beglückwünscht mich zum Wein. Einen passenderen zum Mittagstisch gibt es nicht.
Das Restaurant setzte er 1989 aus den 500 Latten eines abgerissenen Bauernhofes hier im Wald wieder zusammen. Originalgetreu und eigenhändig, versteht sich. Natürlich entscheide ich mich in diesem Haus für die üppigen Fleischgerichte vom offenen Feuer. Genauso tatkräftig wie er beim Häuserbau zulangt, bringt mir Jean-Matthieu ungefragt Saumon fumé, einen geräucherten Lachs und seidig glänzenden Kartoffelsalat, der mit raffinierten Ölen abgerundet ist. Den müsse ich noch vorher kosten. Es gefällt ihm, wie verwirrend ich das Geschmackserlebnis beschreibe: Aufregend edel und gleichzeitig bodenständig.
Mama Fabienne klappert in der Küche mit den Töpfen. Hoheitsvoll räumt die Mutter ihrem Sohn die Freiheit ein, seine Inspirationen aus den Lehr- und Wanderjahren in Paris in die regionale Küche einfliessen zu lassen. Sie lobt mich wie eine Musterschülerin, denn den Hauch Trüffel, der sich nur selten in einen Kartoffelsalat verirrt, den habe ich gleich herausgeschmeckt.
Auberge du Paradis
1, route de Mertzen 68580 Strueth
Tel. +33 (0)3 89 07 21 46
www.auberge-paradis.fr
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