„Mora, mora.“ Immer mit der Ruhe. Die sprichwörtliche Gelassenheit der Madagassen lässt sie nichts überstürzen, schon gar nicht bei der Vanille. Jedem Vorgang wird seine Zeit eingeräumt. Zeit, die notwendig ist, damit „die Königin der Gewürze“ ihre Aromastoffe entfalten kann.
Christian Terno uns seine Frau importieren die Bourbon Vanilleschoten direkt von den familieneigenen Plantagen auf Madagaskar. Wenn sie sagen, Vanille sei ihr Leben, dann stimmt das zu 100 Prozent.
Autorin Sabine Ruhland,
Foto oben istock
Es ist November, Regenzeit auf Madagaskar. Saison der Vanilleblüte. Gelblich-weiße Knospen, die sich wie ein Traubenbündel aus dem Lianenstrunk hervortun, der sich an Bäumen rund 10 Meter emporrankt. Doch die Blüten sind kleine Diven, öffnen sich einzeln nacheinander und wenn, dann nur für einen Tag.
Während im Ursprungsland Mexiko besondere Bienen- und Kolibriarten die natürlich Bestäubung übernehmen, heißt es für die Plantagenbesitzer auf Madagaskar selbst Hand anlegen.
Mit einem Kaktusstachel durchstechen sie vorsichtig die Membran, die Stempel und Pollen voneinander trennt. Danach werden mit sanftem Druck von Daumen und Zeigefinger beide Geschlechter miteinander vereint. Jetzt kann innerhalb von neun Monaten eine Schote heranreifen.
Etwa 1.200 bis 1.500 Blüten schafft ein Arbeiter am Tag. Da sich an jeder Rispe aber jeden Tag nur eine Blüte öffnet, beginnt diese Arbeit in den folgenden drei Monaten täglich aufs Neue.
Ein Vorgang, der sich bei der Ernte wiederholt: Auch hier kommt es darauf an, jeden Tag die einzige Schote, die kurz vor der Reife steht, zu pflücken. Oft werden, weil es schneller geht und profitabler ist, gleich alle Schoten eines Bündels abgeerntet, auch die weniger entwickelten. Doch das geht zu Lasten der Qualität.
Schwitzen, Trocknen, Ruhen. Wieder heißt es „mora, mora“
Auf die geernteten Früchte wartet nun eine lange Zeit der Veredelung. Zunächst werden die grünlichen Schoten für drei Minuten in 70° C heißes Wasser getaucht, danach in Tücher eingewickelt und für drei Tage trocken und schattig gelagert.
Diese Verarbeitungsschritte leiten den Fermentationsprozess ein, bei dem sich das Aroma der Früchte entwickelt.
Im Anschluss beginnt eine Prozedur, die sich über drei Wochen im immer selben Rhythmus abspielt: Die Früchte werden jeden Tag für zwei Stunden der Mittagssonne ausgesetzt, dann wieder eingepackt und nachts warm und trocken gelagert.
Am Ende sind die Schoten seidig glänzend, von tiefdunklem Schwarzbraun und haben bis zu 80 % ihres Frisch-Gewichtes verloren. Die letzte Phase bei der Verarbeitung der Früchte ist die langwierigste: sortiert nach Länge, Farbe und Qualität kommen sie gebündelt bis zu drei Monate in geschlossene Kisten. Erst hier entwickeln sie ihr endgültiges Aroma und den intensiven Geschmack.
Am Ende steht die Qualitätskontrolle. Weil Vanille sehr empfindlich ist und schnell fremde Gerüche annimmt, braucht es Leute mit einer besonderen Nase, die hauptberuflichen Vanilleschoten-Schnüffler.
Sie sind in der Lage aus einem Bündel Vanillestangen die schlechten herausriechen und aussortieren, bevor andere Schoten angesteckt und ungenießbar werden. Ein außergewöhnlicher Beruf, krisensicher, da keine Maschine jemals eine gute Nase wird ersetzen können. Erst wenn die Schnüffler ihr Okay geben, kommen die Bündel Holzkisten, ausgeschlagen in Wachspapier, und machen sich auf den Weg in alle Welt.