Edi Keber begrüßt, wenn´s sein muss, in passablem Deutsch, spricht mit seiner Familie Slowenisch, den Gästen seines Agroturismo Italienisch, mit den Kollegen Friulanisch. Wo genau die Wurzeln dieser Sprache liegen ist unklar, keltisch sollen sie sein, dazu gesellte sich ein römischer Dialekt. Von italienisch war damals noch keine Rede, von Grenzen ebenfalls nicht. Die kamen später, eine davon verläuft durch die Weinberge der Kebers. Außer, dass die Aufschrift auf den Mistkübeln neben der Straße plötzlich die Sprache wechselt, erinnert kaum noch etwas an die Zeit vor dem Fall des eisernen Vorhangs – als das weite Tal hinter Cormons zwischen Italien und Slowenien aufgeteilt war.
Autor Martin „Homolka“ Swoboda,
Foto oben ©Peter Wolf
Fotos unten Atelier Homolka
Das aber auch erst, seit Österreich-Ungarn untergegangen war, bis dahin lebte man von den Erträgen der Felder und Weinberge. Die nach dem zweiten Weltkrieg gezogene Grenze beendete diese Idylle, oft verlief sie mitten durch Familien, machte manchmal die Brautschau zu einem schwierigen Unterfangen. So hatte sich Edi in ein Mädchen aus dem Nachbardorf verschaut, dummerweise im Osten, einen Kilometer entfernt, und dennoch musste er sich von Freunden im Kofferraum hinüberschmugeln lassen, um auf Freiersfüßen wandeln zu können. Am Steuer saßen Elena Orzan und Josko Sirk, dessen Mutter lange zuvor Reißaus genommen, ihr großbürgerliches Leben hinter sich gelassen und hinter der Grenze mit einer Gastwirtschaft neu begonnen hatte.
Aus der hat Josko ein weit über die Grenzen bekanntes Feinschmeckerlokal gemacht. Edi zählt heute zu den innovativsten Winzern der Gegend und Elena bietet die besten Weine des Collio in ihrer Enothek in Cormons an.
Die Grenze existiert nicht mehr, schon gar nicht im Kopf. Noch während der letzte Zollbeamte seine Koffer packte, mussten die drei etwas machen, um die neue Freiheit im Collio zu zelebrieren. Unweigerlich kamen ihnen dabei die alten Vespas in den Sinn, welche in ihrer Jugend Freiheit bedeuteten. Weil alle drei geschäftstüchtig sind, haben sie die Vespas in der Farbe des ‚Colliogelb‘ lackiert und machen jetzt für ihre Heimat Werbung.
Überhaupt dürfte die Leidenschaft treibende Kraft sein: Laura Zotts Familie betreibt seit Generationen Milchwirtschaft. Weil sie selber besser leben und gesünder essen wollten, haben sie früh auf biologisch-dynamische Landwirtschaft gesetzt: ihre Käse stellen sie ausschließlich aus der Rohmilch eigener Kühe her. Früher reisten diese zu Ausstellungen, wurden prämiert. Das ist vorbei. „wir brauchen ein geschlossenes System, um keine Krankheiten in unsere Produktion einzuschleusen,“ entschuldigt Laura die Einschränkung der Reisefreiheit ihrer Kühe.
Auch Ehemann Fabio Miani ist nicht mehr so viel auf Achse wie früher, als passionierter Ferrarista war er zwölf Jahre mit dem Formel 1-Zirkus unterwegs. Dann kam Nachwuchs und mehr noch als die roten Renner liebt der Italiener seine bambini. Die Leidenschaft wurde neu entfacht, für Kinder und Landwirtschaft. Fabio ließ sich vom Schwiegervater umschulen und wer ihn nun in der Käseküche sieht, mag kaum glauben, dass er einst in der Boxengasse um Sekundenbruchteile feilschte, obwohl ein gewisser Hang zur Geschwindigkeit kaum zu übersehen ist, wenn er die 90 Grad heißen Mozzarella-Kugeln ins Kühlwasser befördert.
Nicht weniger überraschend ist der Anblick von Monica d´Oswaldo an ihrer Wirkungsstätte. Die zierliche junge Dame sieht auf den ersten Blick aus, als wäre sie auf dem Weg zum Fotoshooting für ihr Plattencover.
Die Brille im 50er-Jahre-Stil und das existezialistisch schwarze Outfit verleihen ihr das Auftreten eines Popstars. Selbst der von Neonröhren erleuchtete Arbeitsplatz hat Punk an sich, wäre da nicht dieses betörende Aroma, das überhaupt nichts mit der Welt des Show-Biz gemein hat.
Statt eines Gitarrenplektrons zieht Monica ein zugespitztes Stück Pferdeknochen aus der Tasche und bohrt es entschlossen ins Fleisch eines Schweineschenkels, der, wie Hunderte anderer, im letzten Raum des Hauses seiner Bestimmung als erstklassiger Prosciutto entgegenhängt! Mindestens vierzehn Monate müssen die Schinken reifen, besser noch drei Jahre. Gourmets, nicht nur aus der Gegend, sichern sich rechtzeitig ihr Stück.
Ohne familiäre Vorbelastung sind Alessandra und Mauro Mauri in das Metier der Winzer und Gastgeber gerutscht. Am Ortsrand von Cormons haben sie sich den Gutshof `Borgo San Daniele´nach ihren Vorstellungen modelliert, kaum zu bemerken, dass er nicht schon seit Generationen bewirtschaftet wird.
Dafür konnten sie sich ihre Lagen aussuchen, ganz, wie es der bevorzugten Sorte behagt, sogar ein paar Olivenbäume gedeihen dort, gemeinsam mit gleichgesinnten Bauern aus dem Collio produzieren sie kleine Mengen eines großartigen Öls. Zugleich beherbergen sie gerne Gäste, die Zimmer hören auf die Namen Feuer, Wasser und Luft – in der Erde lagert ja der Wein.
In die Enoteca im Stadtzentrum fährt man natürlich mit dem Fahrrad, dort kostet man sich entweder unter Elena Orzans sachkundiger Anleitung durch die feinsten Tropfen der Region, oder schnappt sich die gelbe Vespa vor der Tür und besucht die Winzer persönlich, ist ja nicht weit, keine fünf Kilometer bis zu Edi Keber an der Grenze. Kurz davor windet sich die Landstraße durch eine enge Schlucht, unmittelbar danach liegt Joskos „Trattoria La Subide“. Der hat erst kürzlich eine neue Leidenschaft entdeckt: Essig und die Gesinnungsgenossenschaft der `Sauren Freunde´ ins Leben gerufen. Die versuchen nun, die saure Essenz der Traube dorthin zu treiben, wo sie den vergorenen Saft schon längst etabliert haben: an die Spitze! Ganz ohne Grenzen!
Foodhunter-Tipps für Friaul/Cormons
Azienda Agricola Edi Keber
Localitá Zegla, 34071 Cormons
+39048161184
DZ € 50,- bis 80,-
Latteria Borg da Ocjs
Via Parini 18, 34071 Borgnano Cormons
+39048167204
DZ € 85,-
www.borgdaocjs.it
Prosciutti d´Osvaldo
Via Dante 40, 34071 Cormons,
+39048160531
www.dosvaldo.it
Borgo San Daniele
Via San Daniele 38, 34071 Cormons
+39048160552
www.borgosandaniele.it
La Subida di Josko e Loredana Sirk
Via Subida 52, Localitá Subida, 34071 Cormons
+39048160531
Apt. ab € 90,-, 4 Nächte iukl. Degustationsmenü und Vespa ab € 190,-
www.lasubida.it
Osteria Terra & Vini
Via XXIV Maggio 34, 34071 Brazzano Cormons,
+39048160028
www.terraevini.it
Enoteca di Cormons
Via XXIV Maggio 21, 34071 Cormons,
+390481630371
www.enoteca-cormons.it