War der Spargel vor einigen Jahren noch Luxusware, wächst er nun landauf, landab unter riesigen Folien-Feldern. Schadet der Massenanbau dem Geschmack? Foodhunter-Autor Oliver Zelt wollte es genau wissen und suchte nach „dem Blut der alten Sorten“, nach Helios und Eros und reiste um 5 Uhr früh mit Berlins Spitzenkoch nach Brandenburg.
Autor Oliver Zelt, Foto oben ©foodhunter
Peter Frühsammer steht auf, bevor der Morgen seine ersten Sonnenstrahlen schickt. Noch in der Dämmerung sitzt der Berliner Spitzenkoch in seinem Wagen und fährt aus dem Grunewald ins nördliche Brandenburg. Es ist fünf Uhr früh, da haben wir den „Spargelhof von Gerhard Jochen“ in Beelitz erreicht. Wir sind nicht die ersten Kunden. Kenner stehen Schlange, um Spargelstangen mit weißen, violetten und blauen Köpfe zu bekommen. Im Restaurant „Frühsammers“ würdigt die Speisekarte den „Jochen-Spargel“.
Auf den Tellern der Gäste liegen nicht ebenmäßig gleiche Spargel, dick und mit schneeweißen Köpfen, sondern ein Mix aus geraden und krummen, violetten und grünen Spitzen.
Die schmecken „würzig und jeden Stange hat eine andere Nuance“. Damit Gäste nicht stutzig werden, steht es auf der Karte, dass der Landwirt den Spargel ohne Folie anbaue, ohne künstlichen Dünger und statt moderner Maschinen Pferde mit kleinen Eiseneggen nutze.
Ist der wahre Spargelgeschmack also unter der Folie verloren gegangen?
Nein, sagt Peter-Jürgen Paschold. Er leitete jahrelang das Fachgebiet Gemüsebau an der Forschungsanstalt im baden-württembergischen Geisingen. Die Folie verändere nicht den Spargelgeschmack. Im Gegenteil, der Spargel reife gleichmäßig, die Plastikplanen speicherten Feuchtigkeit und beugten so einer vorzeitigen Verholzung vor: Das letztlich verbessere sogar den Geschmack.
Wo ist das „Blut“ der alten Sorten?
Doch selbst die „Südwestdeutsche Saatzucht“ merkte schon vor Jahren, der industrielle Massenanbau serviert dem Gaumen einen schlichten, leicht wässrigen Spargelgeschmack. „Das Blut der alten Sorten“ wollen die Experten aus dem baden-württembergischen Rastatt nun einzukreuzen.
War deutscher Spargel einst eine rare Luxusware liegt er mittlerweile selbst bei den Discountern im Regal. 2014 wuchs Spargel auf 25 300 Hektar, das ist fast ein Viertel der gesamten deutschen Freilandfläche im Gemüseanbau. Kein Wunder, wächst das Gemüse mittlerweile auch dort, wo vorher kein erfahrener Bauer auf die Idee gekommen wäre, auch nur eine einzige Pflanze in den Boden zu setzen. Dank Folie sprießt der Spargel in schweren lehmigen Böden, denn die Erde bleibt feucht, warm und locker.
Helios, Eros, Huchels Alpha oder Schwetzinger Meisterschuss. Nie gehört? Die Rede ist von Spargelsorten
Da kann Paul Schulze aus Havelsee nur den Kopf schütteln. „Unter den Folien wird der Boden nicht richtig durchlüftet“.
Er baut auf zwölf Hektar ausschließlich alte Sorten, wie Helios und Eros an. Die wachsen in den Erdhügeln ohne Abdeckung weniger gerade und Schulze ist nicht sauer, wenn er am Abend Stangen sticht, deren Köpfe schon Farbe angenommen haben. Der Bauer freut sich sogar darüber, weiß er doch, die schmecken leicht bitter und wunderbar nussig.
Es gibt nur weinige Felder, auf denen alte Spargelsorten wachsen. In Brandenburg sind es oft „Huchels Alpha“, in Süddeutschland der „Schwetzinger Meisterschuss“. Es ist kein Bauernlatein – fast jede Stange schmeckt ein bisschen anders.
Alte Sorten, bunte Köpfe, süß-bitter-würziger Geschmack. Ein Spargelessen könnte so eine unglaubliche Überraschung sein.