Es ist das Jahr 1979. Randolph Hodgson ist ausgebildeter Ernährungswissenschaftler und ohne Ziel. Käsemachen findet er spannend und engagiert sich in einer kleinen Molkerei außerhalb von London, wird erst Chef, dann Eigentümer. Die Käsesorten, die er über den Großhandel für den Verkauf bestellt schmecken ihm nicht. Es muss mehr geben im Lande. Also rein in den klapprigen Citroen und ab aufs Land.
Autor Carola Kühnl, ©Fotos foodhunter
Wo immer er auf dem Land Käse entdeckt, packt er ihn ein, probiert daheim mit Freunden. Ein Rad nach dem anderen. Der Käse als Kern eines regen Austauschs – bis heute: Im Geschäft kostet man mit dem Kunden vom selben Laib, um auf den Geschmack zu kommen. Britische Käse und irische liegen auf den Verkaufstresen in den “Neal’s Yard Dairy” Filialen Borough Market, Covent Garden und Bermondsey Street. Alle Käse handgeschöpft.
Nur 4 der über 70 Käsesorten sind von weiter her: Parmesan und Büffelmozzarella aus Italien, Feta aus Griechenland und Brie de Meaux aus Frankreich.
Neal’s Yard Dairy steht für Qualität und hinter den Herstellern, den Kleinbauern aus der Region. Groß die Auswahl: Käse hart, weich, blau, mit gewaschener Rinde oder ohne, gefertigt aus Kuh-, Schaf- oder Ziegenmilch. Käse mit tierischem Lab, vegetarischem oder für Frauen, die guter Hoffnung sind. Cheese bringt uns zum Lachen, auf Fotos und am Ladentisch. Er schmeckt gut, die Herkunft ist zu 100 Prozent transparent und die Herstellung traditionell.
Ein Keen’s Cheddar oder Kirkham’s Lancashire schmecken bei jedem Einkauf anders, sie werden aus Rohmilch gekäst. Diese variiert im Geschmack, da die Rinder nicht immer denselben Grashalm fressen. Dekorativ türmen sich in den Geschäftsräumen die 30 bis 40 Kilo schweren Laibe auf, die im Reifekeller Nähe London Bridge mit Sorgfalt gepflegt und teilweise affiniert werden. Man kann sie drehen und wenden wie man will, ausschlaggebend ist Herz und Verstand fürs Handwerk, damit sie reif sind für den Handel und hohen Ansprüchen gerecht werden.
Faire Preise für die Farmer und die Kunden ist Neal’s Yard Dairy wichtig.
Mit vielen der Käsereien arbeitet die einstige Molkerei seit Jahrzehnten gut zusammen. Nicht immer stellt das optische Ergebnis der Reifung Bauer und Händler zufrieden, die Natur arbeitet nach eigenen Gesetzen. Neal’s Yard steht jedoch zu seinem Wort und verhilft mit Aktionen jedem Käse zur Wertschätzung. Einen Stichelton, der äußerlich unter und innerlich über 100% ist, wird unter anderem Namen und Preis verkauft. Richtig gut sogar, denn das Wesentliche ist fürs Auge unsichtbar.
Die Applebys – nicht zu verwechseln mit den Applebees (Apfelbienen)
Garry Gray aus der Familie der Applebys ist noch einer der letzten traditionellen Hersteller von unpasteurisiertem, in Stoff gewickeltem Cheshire. Die Milch für den leicht feuchten, flockig-krümmligen Käse stammt von eigenen Holstein-Friesian Herden. Die Applebys sind leicht zu verwechseln mit den Applebees (Apfelbienen), Ihr Fleiß und Mühsal zahlten sich aus. Nicht immer stand es um die Käserei so gut wie heute.
Vor Jahrzehnten wurden viele Cheshire aus pasteurisierter Milch hergestellt und schmeckten einheitlich. Die Laibe der Applebys immer anders, auf dem Markt und im Kaufhaus waren sie Ladenhüter. Die Gesellschaft wollte Einheitsgeschmack. Die Familie versuchte es im Alleingang. Mit beladenem Auto fuhr man in die Stadt, um den Käse an den Mann zu bringen. Einer der ersten war Randolph Hodgson, der Käse kam gleich ganz vorne auf den Tresen.
Hygiene und Sauberkeit ist oberstes Gebot bei Kontakt mit Rohmilchkäsen. Alle Käsehändler tragen bei Neal’s Yard Mütze, Kittel, Schürze und Gummistiefel. Vor und nach dem Dienst wird die Arbeitskleidung abgeschruppt und abgesprüht. Auch selbst nur bei Verlassen der Theke. Es gibt genaue Vorschriften. Regale, Bretter, Böden, Wände… werden täglich bzw. wöchentlich desinfiziert. Händewaschen pausenlos. Bei Neal’s Yard werden alle Käse ohne Trennwand vor den Augen des Kunden präsentiert. Lob an alle, denn nie gab es einen Vorfall aufgrund von Hygienemängeln.
Das will was heißen. An guten Tagen stehen hinter der Theke 17 Käsehändler, in der Weihnachtszeit sind es bis zu 30. Joghurt, Ricotta, Milch, Brot & Butter, Pasta, Marmeladen, Öl und Cracker sind im kleinen Marktraum griffbereit. Hier gibt‘s auch Frischkäse wie Büffelmozzarella, Quark aus Milch von der Ziege und ein kleines Hartkäsesortiment. Kostproben im Laden gibt‘s generell unaufgefordert. Alle nehmen dankend an, teils überrascht, und verlassen mit einer Tüte das Geschäft. Bei Neal’s Yard geht es nicht darum, Verkaufszahlen zu toppen, sondern um den Erhalt von Bauernstand, Tradition und Landschaft. Das Gute will man weitergeben. Jeder soll wissen wie Britannien schmeckt.
Neal’s Yard ist der Name eines kleinen Viertels im Stadtteil Covent Garden, in dem die Käserei begann, Geschäfte zu machen.
Landwirte kommen zu Verkostungen in Londons Innenstadt und stellen sich und ihr Handwerk vor. Ein Käse mit Gesicht und Geschichte. Morgens macht der Einkauf am meisten Spaß. Draußen auf dem Markt ist es noch ruhig und drinnen füllt sich langsam der Tresen mit Käse. Das Personal nimmt telefonisch Bestellungen an, persönlich Lieferungen entgegen – inklusive Kaffee von nebenan – und hat für den Kunden auch mal ein Ohr ganz privat. Neal’s Yard ist der Name eines kleinen Viertels im Stadtteil Covent Garden, in dem die Käserei begann, Geschäfte zu machen.
Den Laden gibt es nach wie vor. Offen haben die drei Filialen zu unterschiedlichen Zeiten, jedoch immer von Montag bis Samstag. Details auf der Homepage nealsyarddairy.co.uk. Offen heißt auch, es brennt noch Licht nach Ladenschluss… Pflege von Käse bedarf großer Leistung und unermüdlichem Einsatz: Naturbedingt reift jeder einzelne Laib auf seine Weise. Das Fachpersonal ist geschult: die Rinden mancher Käse werden gewaschen, andere Laibe wiederum werden mehrfach am Tag gewendet.
Time out für Supermarkt-Käse!
Kunden verlangen oft nach einem strengen, würzigen Käse und sind teils enttäuscht und überrascht zugleich, da Käse bei Neal’s Yard so anders ist, denn natürliche Aromen sind dem Gaumen fremd angesichts der Discount-Käse. GUT ZU WISSEN: Untersuchungen, ob sich Bakterien von Geldscheinen auf den Käse übertragen, gab es etliche. Alle waren negativ und somit positiv für Neal’s Yard. Das Personal arbeitet ohne Handschuhe, fasst Käse an und hat Geld in der Hand. Kunden können beruhigt sein, Bakterien übertragen sich über die Hand nur, wenn diese nass ist. Geld ist das in der Regel nie.
Neal’s Yard schaltet keine Zwischenhändler ein, sondern hat direkten Kundenkontakt
So kommen die Käse Britanniens via Schiff in die USA oder per Flugzeug nach Neuseeland, werden nach Frankreich, Italien, Dänemark und Deutschland verschickt. Neal’s Yard schaltet keine Zwischenhändler ein, sondern hat direkten Kundenkontakt. Alle Stricke laufen in Druid Street in London zusammen. Willkommen heißt das Team vorm Laden jeden Passanten mit einem Stück Käse und frischem Obst. Auch für Taxifahrer ein angenehmer Stopp. So mancher dreht eine Extra-Runde um den Block. Der Duft von Käse nach Erdreich, Pilzen, Wald zieht die Kunden die Rampe hinauf, an Käselaiben vorbei hinein ins Reich wo „Milch und Honig“ fließen. Sehr reizvoll: Frühaufstehern und Spätzündern gewährt man immer Einlass.
Trotz der Fülle an weltweiten Käsespezialitäten bleibt Neal’s Yard Dairy seinem Konzept treu: Käse nur „very britisch“. Dazu gehört auch die britische Gelassenheit. Yin und Yang im Einklang. Viele Kunden zieht der Käsetresen täglich an, denn Stress und Hektik fallen ab, denn bei Neal’s Yard bleibt die Stimmung in Balance. Dem Team sei Dank. Selbst bei energiegeladenen Kunden weiß es intuitiv das Tempo zu drosseln und auf dem Urlaubsfoto Haltung zu bewahren.
Für mich wird es Zeit, um Goodbye zusagen. Der ganze Käse hier macht mich fürchterlich hungrig.
NEAL’S YARD DIARY – THE SHOPS:
Covent Garden Shop: 17 Shorts Gardens, London, WC2H 9AT
Borough Market Shop: 6 Park Street, London, SE1 9AB
Bermondsey Shop: Unit 6 Dockley, Dockley Road, London, SE16 3SF
Druid Street Arches: 108 Druid Street, London, SE1 2HH
https://www.foodhunter.de/ueber-carola-foodhunterin-aus-london/