Wir haben das feine Restaurant früh entdeckt und früh erkannt, welche Qualität hier geboten wird. Weshalb es 2020 auch einen Stern für Nachhaltigkeit von Guide Michelin gab.
Karlsruhe hat eine kulinarische Spitzenadresse, die sich scheinbar unscheinbar in einem geradlinigen Bau an der Haltestelle Dammerstock befindet: erasmus. Slowfood, Bio, höchste Kochkunst. Kein Trend, auf den hier aufgesprungen wird, sondern gelebte Philosophie, weshalb Andrea und Marcello Gallotti mit großer Ernsthaftigkeit bemüht sind, ihre Qualitätsstandards hervorzuheben. Unqualifizierte Kritiken auf öffentlichen Plattformen kommentiert Andrea mit feinen Spitzen. Mit Recht. Wir haben hier so exzellent gegessen, dass wir Haus, Hof und die Gallottis am liebsten nach München mitgenommen hätten.
Autorin Sabine Ruhland, Fotos © foodhunter
Ist die badische Heimatstadt der Foodhunterin schon bereit für kulinarisches Können dieser Art? Nicht wirklich, denn wie sonst ließe sich erklären, dass badische Gazetten und Restaurantführer so schweigsam sind während die italienische Tageszeitung Repubblica längst große Artikel über dieses Restaurant veröffentlicht?
Nun, das mag u.a. den Grund haben, dass die Slowfood-Bewegung aus Italien stammt, dass Andrea und Marcello Gallotti ein Studium an der University of Gastronomic Sciences in Pollenzo (Italien) absolviert haben und dass Marcello kein unbeschriebenes Blatt ist – er gilt als ausgezeichneter Sommelier und kochte u.a.in der Hostaria dell’Orso des legendären 3-Sterne-Kochs Gualtiero Marchesi.
Ein Glücksfall für Karlsruhe, dass diese beiden ausgerechnet hier gelandet sind und die kulinarische Landschaft bereichern. Mehr als ein Münchner Sternelokal würden wir dafür links liegen lassen, denn im Erasmus ist nichts von der Stange. Weder die Location, die entgegen der ein oder anderen Meinung kein schnöder Bau ist, sondern ein 1928 von Bauhaus-Papst Walter Gropius entworfenes denkmalgeschütztes Gebäude, noch die Zutaten, die Zubereitung, die Weinauswahl.
Die Kriterien für die Bio-Zertifizierung sind für die Gallottis nur der Mindeststandard
Vom Sauerteigbrot bis zum Blätterteig ist alles selbst gemacht, jede Soße, jeder Dip, jede Gewürzmischung, jeder Fond. Das Gemüse knackt, weil es regional und saisonal ist und auf den Punkt gebraten, der Fisch zeigt sich von feinster Qualität, stammt von einer kleinen Gruppe niederländischer Fischer, die sich der nachhaltigen Fischerei verschrieben haben, Hecht, Zander, Barsch und Wels kommen aus den Karlsruher Rheinauen vom einzigen Berufsfischer, der dem Preiskampf noch standhält und den wir bei unserem nächsten Besuch unbedingt auf einer seiner Touren begleiten möchten. Die Pasta ist endlich mal wirklich al dente und aalt sich wohlig in selbst gemachter Bolognese. Das Rindfleisch stammt vom Glanrind, einer alten Pfälzer Rasse und vom Hof Karlfried Simon in Waldböckelheim (Bad Kreuznach).
Marcello war bei jedem seiner Produzenten, kennt den Turiner Kaffeeröster ebenso wie jeden Winzer der großartigen Weine, die auf der Karte stehen. „Naturweine“. Das bedeutet, jeder Wein entsteht aus einer für die jeweilige Region typischen Rebsorten, gedeiht ohne Einsatz von Chemie, wird von Hand gelesen und kommt am Ende unfiltriert in die Flasche.
Am Ende bezahlen wir knapp 80 Euro für unser Lunch inklusive Wein. Uns schreckt das nicht, weil die Qualität sensationell war und wir ohnehin Münchner Preise gewöhnt sind, aber so manch ein Karlsruher wird schlucken. – Zweifelsohne ein Restaurant für Fortgeschrittene.
Nürnberger Str. 1
76199 Karlsruhe
Öffnungszeiten:
So, Mo geschlossen
Di, Mi & Sa ab 18.30 Uhr
Do & Fr 12-15 Uhr und ab 18.30 Uhr
T. 0721-40242391
Haltestelle Dammerstock
www.erasmus-karlsruhe.de
Tipp für heiße Sommertag- und nächte: Dachterrasse und schattiger Biergarten