von foodhunter
Kategorie: Esskultur / Restaurants

Gills to fin – alles vom Fisch

Gills to fin - alles vom Fisch
eaten fish with head and tail

Nach „nose to tail“ betreten die Spitzenköche nun die Weiten der unentdeckten Zutaten zwischen „Gills to fin“, zwischen Kiemen und Flosse. Die „Alles-verwerten-Idee“ vom Fisch bringt extravagante Kost mit Zunge, Leber und Schwimmblase zum Gast. 

 

Autor Oliver Zelt, Foto oben ©fotolia
Fotos unten ©Joachim Wispre

 

 Joachim Wissler ist ein begnadeter Handwerker. Deshalb beherrscht der Meister der filigranen Küche den feinen Schnitt mit dem groben Sägemesser. Die derbe Klinge braucht er für die Mittelgräte eines 100 Kilo schweren Thunfisches. „Die erinnert an die Wirbelsäule eines Menschen“, sagt Wissler. Ritze-Ratze schneidet er die dicken Gelenkkapseln an, bricht sie auf und holt das transparente Mark heraus. Die geleeartige Masse hat einen „leicht stahligen, frischen Geschmack nach Meer“.

 

Wissler legt eine Markkugel in einen tiefen Teller, gießt einen Sud aus Schinkensaft, Yuzu und Bonitoflocken an, legt Zesten von Salzzitronen sowie knusprig gebraten Streifen der Thunfischhaut dazu, reibt gefrorenes Kokosfett darüber und garniert mit sichelförmiger Riesengräte.

Das Mark-Gemälde ist sicherlich eine der abgefahrensten Kreationen der Kochelite, um zu zeigen, ein Fisch besteht nicht nur aus zwei Filets. „Es liegt mir am Herzen, alles zu verwerten.“

 

Während in den meisten Feinschmeckerlokalen der Koch zwar Beifall für die goldbraun gebratene Haut bekommt, die dann aber am Rand liegenbleibt, wollen einige der Gastronomen Bäckchen, Leber oder Herz nicht mehr ignorieren und beim Ausnehmen die Innereien nicht umgehend wegwerfen.

 

Rückenmark vom Fisch – Haute Cuisine, Foto ©Joachim Wispre

 

Die Foie gras des Meeres

 

Für die Vorbilder ist kein asiatischer Reiseführer nötig. Entlang der westeuropäischen Atlantikküste gilt vor allem die Seeteufel-Leber als „Foie gras des Meeres“. In Skandinavien würde niemand auf die Idee kommen, die als Delikatessen geltenden Zungen, speziell des Kabeljaus nicht zu braten. Und wer schon einmal die zarten Fischbäckchen probiert hat, der bestellt sie immer wieder.

 

Einige Köche wollen wirklich gar nichts liegen lassen und gehen beim Experimentieren an die geschmackliche Grenze.

 

Im Londoner „Ocean House“ serviert Yasuhiro Mineno knusprig frittiertes Fischskelett. Matt Orlando, der im Kopenhagener „Amass“ auch Haut und Schuppen verarbeitet brät Flossen in heißem Fett aus und mariniert sie anschließend noch. Harald Irka, einer der besten Köche Österreichs und für Ausgefallenes bekannt, hat es auch mit Flossen probiert. Und aufgegeben.

Irka hatte Saiblingsflossen in Sake und Salz eingelegt, mit Maisstärke paniert und frittiert. „Nachdem bei 200 Gängen 200 Mal die Flossen zurückgekommen sind, haben wir es gelassen.“

Tristan Brandt, Zweisternekoch aus dem Mannheimer Restaurant „Opus V“ hält das Alles-vom-Fisch-Kochen für absolut sinnvoll, glaubt aber das „bleibt eine spezielle Sache in der Spitzengastronomie“. „Die Deutschen haben einfach Abneigungen gegen Innereien“.

Brandt selbst versucht es mit Psychologie und einem Trick. Auf der Speisekarte steht lediglich Hamachi/gelbe Paprika/Avocado. Das lässt dem Koch viel Freiraum für die Gelbschwanzmakrele „Wenn man den Gästen von vorneherein alles erzählen würde, würden sie es möglicherweise nicht bestellen“, sagt Brandt. Wenn der Teller vor ihnen steht, probieren sie und kommen auf neue Geschmäcker“.

Für sein Allerlei von der stattlichen Gelbschwanzmakrele „mit stabilem, festem Fleisch“ pochiert er das Bäckchen, beizt das Kiemenstück und frittiert es dann, mariniert den Rücken und flämmt kurz den Bauchlappen.

Auch Martin Fauster vom Münchener 1-Sternerestaurant „Königshof“ ist sich sicher, die Fisch-Innereien „bleiben in Deutschland ein Essen für Spezialisten“. „Da muss man schon Liebhaber sein“. Trotzdem weiß Fauster, wie hervorragend die saftigen Kiemenstücke vom Wolfsbarsch schmecken oder Skrei-Zungen, mit einem „Kleks grobem Senf“.

 

Kabeljau hoch drei

 

Dreisternekoch Joachim Wissler schwärmt von „Kabeljau hoch drei“ und meint in dünne Streifen geschnittene Schwimmblase mit etwas Olivenöl und Knoblauch. Die nimmt er auch für seine Variante des norddeutschen Labskaus mit Kabeljau. Nicht traditionell rustikal sondern trendig küchenrevolutionär. Rund um das dicke Kabeljaustück in einem Sud von Matjesaromen und Apfelkernöl in der Mitte des Tellers ranken sich die Bäckchen, kleine Segmente der Schwimmblase und die Zungenspitzen des Fisches.

 

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