Sie nennen sich ”One for all”, ”Universalglas” oder ”Allrounder” und differenzieren klassisch in schlankes Weiß- und bauchiges Rotweinglas. Vielen Genießern reicht das, im privaten Haushalt wie zahlreich in der Gastronomie – Hauptsache das Glas macht was her.
Autorin Sabine Ruhland,
Fotos ©foodhunter
Wir haben mit Hotelier Sepp Greil in seinem „Riedel room@greil” Spitzenweine aus Rebsortengläsern von Riedel gekostet. Zwischen dem „richtigen” und dem „falschen” Glas liegen Welten im Geschmack. Taste the difference ist in der Tat ein vielversprechender Slogan.
Der Wein wird im Weinberg gemacht – kaum ein Top-Winzer, der sich nicht dieser Maxime verschrieben hat. Reben werden gehegt und gepflegt, monatelange Arbeit in Steilhängen und Kellern – und dann? Oft fließt der Wein in Gläser, die der Rebsorte nicht gerecht werden, die keine Charakteristik hervorbringen, statt seidigem Schmelz am Gaumen ein bitteres Gefühl auf der Zunge und statt kraftvoller Mineralität nur eine schwache Nuance.
Das Glas allein kann darüber entscheiden, ob der Wein dem Genießer schmeckt und er ein zweites Glas bestellt oder nicht.
Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob im gediegenen Wirtshaus gegessen wird oder im Sterne-Restaurant. Allzu selten haben Sommeliers Einfluss auf den Kauf der Gläser und müssen nehmen, was da ist. Ein Umdenken scheint angeraten. Sagt auch Sepp Greil, Hotelier, Gastronom, Bewahrer guter Lebensmittel, bekennender Weingenießer und Besitzer des weltweit einzigen „Riedel Room@greil”.
Ich glaube nicht, dass ein Gericht objektiv auf einem handgefertigten japanischen Teller besser schmeckt als auf einem schlichten weißen. Bei Wein und Glas hingegen zeigen sich Geschmacksunterschiede deutlich.”
Seine Begeisterung für guten Geschmack ist so authentisch wie mitreißend. Viele Gäste kommen nur wegen seines „Riedel Room@Greil”, wollen ein Tasting und neue Geschmackserfahrung mit ihm sammeln.
Bester Wein in einem optimalen und parallel in einem ungeeigneten Glas. Unzählige Feintrinker hat er bereits bekehrt, wird dabei nicht von Riedel gesponsert.
Die 18 Gläserserien, rund 1000 Gläser, dazu Dutzende Karaffen und Dekanter hat er selbst gekauft. Ein deutscher Sportwagen hätte im gleichen Preissegment gelegen.
Unser Tasting beginnt mit einem Riesling. Ein feiner Tropfen aus dem Kamptal vom Weingut Jurtschitsch. Im Rieslingglas bündeln sich die Aromen und was der Nase als Bouquet entgegenströmt wird im Schluck vollendet.
Die Aromen harmonieren, der Geschmack füllt mild und weich Gaumen und Schlund. Parallel wird der Riesling in ein „falsches Glas” gefüllt, eines für Montrachet. Alles weg, was eben noch die Freude für diesen Wein so sinnlich hat spüren lassen. Sepp Greil öffnet einen Chardonnay aus dem Burgenland vom Weingut Prieler.
Was früher der Chablis war, ist heute der Chardonnay”, sagt Sepp. „Ein wichtiger Wein, vor allem in der Gastronomie.”
Wieder fließt ein Schluck ins Riesling und ins Montrachet-Glas. Wieder gravierende Unterschiede. Im schmalen Riesling-Glas kaum Freude am Wein, im bauchigen Glas hingegen entfalten sich die klassischen Aromen von Äpfeln, zarter Zitrusfrucht und feinem Biskuit. Fruchtig, elegant, ein finessenreicher Chardonnay, der seinen ganzen Charakter ausbreitet. „Sie sehen, der Chardonnay braucht unbedingt ein bauchiges Glas”, erklärt Sepp.
Das Geld, das der Gast für einen guten Wein ausgibt, soll auch zu 100 % ins Glas fließen.”
60 % in der Gastronomie nehmen Bordeaux-Gläser für Pinot noir, für mich die Königin der Trauben. Viele Genießer haben Probleme mit der Rebsorte, dabei haben sie nur ein Problem mit dem Glas.”
Rubinrot, in der Nase feine Melange aus vollreifen Himbeeren, Kirsche und etwas gerösteten Mandeln, zarter Rosenduft gibt den Ton an, am Gaumen nahezu mächtig angelegt. Der Pinot Noir Reserve vom Schloss Gobelsberg schmiegt sich ins Burgunder Glas, um mit dem Genießer einen intensiven Flirt einzugehen. – Ganz anders die Wirkung im Bordeaux Grand Cru. Blass und dumpf ohne die Frische der Frucht.
„Karaffieren” und „Dekantieren” – warum es für den perfekten Weingenuss so wichtig ist.
Sepp wird nicht müde, über alle Feinheiten aufzuklären. Neben dem Glas ist auch das „Karaffieren” und „Dekantieren” ein großes Thema.
Wir belüften jeden Rotwein”, sagt Sepp, „denn auch das trägt dazu bei, ob der Wein schmeckt oder nicht. Die Kohlensäure muss raus, schnell. Dafür perfekt sind die Sturz-Dekanter, in denen der Wein über einen langen Hals nach unten stürzt.” Ein sog. „Weinfall“…
Gesagt, getan. Sepp Greil offeriert einen Ao Yun 2014, der an den Ausläufern des Himalayas gedeiht. Der Wein stammt von mehreren Weinbergen in Höhenlagen zwischen 2.200 und 2.600 Metern und ist eine Assemblage aus 90 % Cabernet Sauvignon und 10 % Cabernet Franc.
In der Nase ist der Wein komplex, mit Noten roter Beeren, Gewürzen (Zimt, Süßholz) und etwas Humus. Am Gaumen ist der Ao Yun 2014 mit seiner Tanninstruktur sehr ausgewogen, strahlt mit Aromen von Blumen, roter Frucht und mineralischen Noten.
Sepp Greil hat uns an diesen Nachmittag nicht nur die Augen geöffnet, sondern auch Nase und Gaumen einen Re-Set vermittelt und uns neu inspiriert. Eines steht fest: Wir werden künftig als Gast fordernder sein, wenn wir einen guten Wein bestellen.
Was ist der Unterschied zwischen Dekantieren und Karaffieren?
Beim Dekantieren soll der Wein – in der Regel ein älterer Rotwein – von Ablagerungen und Feststoffen befreit werden. Man gießt ihn vorsichtig in eine Dekantierkaraffe um.
Beim Karaffieren soll der Wein schnell mit Sauerstoff angereichert werden, man schüttet ihn eher um.
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