Es ist einer jener Abende, die den Chiemsee so unvergleichlich machen. Sonnenuntergang, das Plätschern des Wassers. Ein Paar spaziert am Ufer entlang, den Kopf voller Ideen. Es ist 2021, die letzte Phase der Pandemie. Leidenschaftlich wird diskutiert, gegrübelt, verworfen, neu gedacht. Dann fällt ein Name: „Essenz”. Edip Sigl und seine Frau wissen sofort: das ist es.
Autorin Sabine Ruhland,
Fotos ©foodhunter
Heute steht „es:senz” für eines der besten Sterne-Restaurants in Bayern und macht den Chiemsee wieder zu einer begehrten Anlaufstelle für Gourmets. – Inzwischen dekoriert mit 3 Sternen!
„es:senz” – dieser Name symbolisiert alles, was Edip Sigl und das Spitzenrestaurant im Resort Das Achental ausmachen.
In der Schreibweise mit Doppelpunkt stehen die Anfangsbuchstaben für die Initialen des Chefkochs, zugleich Executive Chef aller Restaurants des Hauses, verantwortlich für das gesamte kulinarische Konzept und zugleich für die Umsetzung des Gourmet-Restaurants, das zu Beginn von den Besitzern Ursula Schelle-Müller und Dieter Müller gar nicht in Planung war.
Dass die beiden ihrem neuen Chefkoch letztlich bei seinen Plänen freie Hand gelassen haben, ihn von der Einrichtung bis zum Menü alles haben umsetzen lassen, zeugt von einem guten Näschen.
„Edip Sigl beeindruckt mit seiner ganz eigenen Stilistik: modern und ausgefeilt sind seine Gerichte, haben eine herrliche Aromendichte und intensive Kontraste, die aber nie die wunderbare Balance stören.” Guide Michelin.
Vielleicht war ihnen bewusst, dass Edip Sigl bei seiner Restaurant-Entwicklung konsequent die Sterne im Blick hat. Was nicht erstaunt, hat er doch bei den besten seines Fachs gelernt, darunter Heinz Winkler und Juan Amador.
Große Erfolge auch in München – für das Restaurant „Les Deux“ holte Sigl zwei Sterne. – Vor dort stammt auch ein Teil seines Teams, langjährige Weggefährten, die er frühzeitig in die Entstehung des „es:senz” einbezogen und damit eine großartige Identifikation geschaffen hat.
Denn Sigl ist sich sicher, dass Nachhaltigkeit nicht bei den Gerichten anfängt, sondern schon bei den Mitarbeitern. Vier-Tage-Woche, gutes Gehalt, gegenseitiger Respekt und Spaß an der Arbeit – beste Motivation für hochkarätige Leistung und die kommt:
Aus dem Stand erhält das „es:senz” 2022 und nur wenige Monate nach Eröffnung zwei Michelin-Sterne.
Die besten Produkte der Region im Mittelpunkt. Kreativ interpretiert. Raffiniert offeriert. Ein Abend im es:senz verzaubert die Sinne.
„es:senz” steht für den persönlichen Stil des Kochs, denn alle um ihn herum mitleben. Konzentration auf das Wesentliche. Regionalität im Fokus. Fürsorge bei und mit den Produkten.
Ebenso das Interieur des Restaurants: Statt Pomp und Theatralik dezente Leinentischdecken, Wildblumen in kleinen Vasen, kaum Dekoration, dafür große Fenster, die den Park wie ein gigantisches Gemälde erscheinen lassen, ein Kamin mitten im Raum. Entspannte Atmosphäre statt Steifheit.
Unverkrampft begleitet auch das Team unter der Leitung von Simon Adam und Sommelier Iiro Lutter die Gäste durch den einmaligen Abend.
Die Wolke, Mon Cheri & Luftkissen – magische Amuse Bouche
Die Einmaligkeit beginnt mit dem Apero: sechs wunderbare Kleinigkeiten, darunter „die Wolke”, Zuckerwatte an Grissini-Stiel, Entenleber-Parfait als Mon Cheri oder dem Luftkissen, einem Zwiebelmacaron mit Meerrettich-Mayonnaise und Saiblingstatar.
Auch auf Brotkultur wird höchstes Augenmerk gelegt. Brioche und Kartoffelbrot – gefertigt von Souschef Felix Putzier, der sich passioniert der Kunst des Brotbackens und der Essigherstellung widmet – sind phänomenal. Dazu verschiedene Buttervarianten.
Schon bei den Amuse Bouche wird eines spürbar: Sigls Leidenschaft fürs Weglassen. Hier noch etwas, da noch etwas, das mag er nicht. Der Mehrwert eines Produkts entscheidet sich beim Weglassen von Staffage.
Chiemgau pur – eine Erfolgsgeschichte
Nach den Amuse Bouche dürfen die Gäste wählen zwischen dem Menü „Chiemgau pur”, bei dem jede Zutat aus der Region stammt.
Flusskrebse aus der Thalhamer Mühle, Renken und Saiblinge von der Fischerei Lex, Kräuter, Blüten und Gemüse aus der Gärtnerei Jolling oder Wachteln, die ein Bauernhof eigens für ihn züchtet. Und dem Menü „Chiemgau goes around the world” mit Luxusprodukten wie bretonischer Steinbutt, Languste, Thunfisch oder Hummer. Beste Qualität aus möglichst nachhaltigem Fang.
Das Essen ein Augenweide und eine Gaumenfreude, stets begleitet von immer raffinierteren Saucen – üppig, süßlich, intensiv und mit vollem Mundgefühl – die Sigl wunderbar mit säuerlichen Komponenten kombiniert.
Zwischen den Gängen eines jeden Menüs erwartet die Gäste eine Überraschung, ein kulinarisches Experiment
In unserem Fall ist die Überraschung eine sehr scharfe Szechuanpfeffer-Knospe – wohlgemerkt ein Achtel davon – die zerkaut sämtliche Geschmacksnerven in Ekstase versetzt, um sie im Anschluss mit einem erfrischenden Yuzu-Granité, aufgefüllt mit Champagner, wieder zu beruhigen.
Am Ende des fulminanten Abends haben wir sie gut im Gedächtnis, die Geschmäcker der einzelnen Gerichte. Das ist nach mehrgängigen Sterne-Menüs nicht immer der Fall. Oft zeigt sich unser Gaumen erschöpft, kommt durcheinander mit all den Aromen, ist überfordert.
Weglassen ist eine Kunst. Edip Sigl macht es vor. Chapeau!
es:senz
2-Sterne-Restaurant
Resort DAS ACHENTAL
Mietenkamer Str. 65
83224 Grassau
Mi-Sa ab 18.30 Uhr