Die Türen der baskischen Männerkochclubs, der „sociedad gastronomicás“, bleiben Fremden gewöhnlich verschlossen, doch für uns öffnen sie sich. Uns erwartet ein Kochabend im 1932 gegründeten Männerkochclub Aitzaki in San Sebastián. Aitzaki heißt übersetzt ‘Ausrede‘ oder ‘Entschuldigung‘. – Ausrede und Entschuldigung zugleich, wenn sich die Männer schon vor über hundert Jahren von Haus, Frau und Herd in ihre Txokos (Winkel) zurückzogen.
Autor Rudolf Danner,
Fotos © foodhunter
Unsere Kochmatadore tragen anstelle der roten „Muleta“ (Tuch der Stierkämpfer) karierte Geschirrtücher und haben die „Espada“ (Degen) durch Küchenmesser ersetzt.
Zunächst begrüßen sie sich mit dem baskischen Gruß unter Gourmet-Freunden: kurzer Bauch- zu Bauchkontakt. Bei entsprechendem Umfang ein problemloses Unterfangen, ansonsten ist Standvermögen gefragt. Ich solle bis zum nächsten Besuch noch am Bauchumfang arbeiten, ermuntern mich die Mitglieder.
Der Arbeitsbeginn zur kurzfristigen Erfüllung dieser Vorgabe erfolgt unmittelbar und beginnt mit den niedrigen Arbeiten: Gambas schälen – mit der Anweisung das letzte Glied stehen zu lassen – portionierte Seehecht-Filets trockentupfen, leicht bemehlen und auf dem Geschirrtuch in Formation auflegen, die aufgeschlagene Mayonnaise auf ihren Sardellengehalt hin abschmecken und auf die Salatherzen klecksen.
Unumstößliche Regeln: Keine Frauen am Herd, Gespräche über Politik und Frauen sind wegen des hohen Konflikt-Potenzials unerwünscht, Essen und Sport bevorzugte Themen.
Die höheren Weihen absolviert routiniert das eingespielte fünf Mann starke Küchenteam, jeder an seinem Platz, das Geschirrtuch lässig in den Bund der mit Namen bestickten Kochschürze gesteckt, jeder verantwortlich für sein Produkt und dessen Zubereitung und jeder mit spürbarer Passion und Hingabe ohne Hektik und immer mit Zeit für einen Schluck Txakoli, einen spritzigen Weißwein.
Sogar auf das Wohl der eingeladenen weiblichen Gäste wird getrunken, die zwar den Tisch decken, die imaginäre Linie zum modernen Aluküchenbereich aber nicht überschreiten dürfen. Unumstößliche Regeln, fest in den Statuten verankert: Keine Frauen am Herd, Gespräche über Politik und Frauen sind wegen des hohen Konflikt-Potenzials unerwünscht, Essen und Sport sind bevorzugte Themen. Glücksspiel ist verboten, harmloses Kartenspiel beliebt, Witze und Gesangseinlagen Pflicht.
Langwierig sind die Aufnahmeverfahren (limitierte Mitgliederzahl, vererbbare Plätze), Fraueneinladungen nur zu besonderen Anlässen und an einem bestimmten Wochentag gestattet, Gästeeinladungen erfolgen nur durch Mitglieder. Jeder muss sich nützlich machen, die Unkosten werden am Ende auf alle Teilnehmer umgelegt. Etwa 22 Euro pro Person einschließlich aller Getränke werden heute anfallen.
Die Kochphilosophie ist einfach: Verwendung frischer regionaler Produkte, wenig Experimente, überlieferte Gerichte, traditionelle Zubereitung und besonderes Augenmerk auf Qualität und Geschmack.
Unser Menü an diesem Abend: Salatherzen, Sardellencreme, Glasaale als Surimi als Vorspeise nett angerichtet und einfach schmackhaft, Chipirones en su tinta, Sepia in eigener Tinte mit Zwiebeln geschmort, butterweich und in einer sämigen glänzenden tiefschwarzen Sauce serviert, knusprig gebackene, wahlweise panierte Seehechtfilets und als Dessert die sensationelle Torta de quesa von der Pintxobar La Vina gegenüber.
Ein Ohr als übliche Trophäe für besondere Leistungen der Matadore hätten sie redlich verdient, die Männer in der Kocharena von Aitzaki nach dieser Vorstellung, aber “Carne de Toro” stand nicht auf der Karte.
Dafür baskische Lieder und für uns sogar „Ein Prosit der Gemütlichkeit“. Zum Abschied Besos, Küsschen für die Frauen. Am Männergruß müssen wir trotz leichter Volumenzunahme weiter arbeiten. Aber wo sonst sollten wir dieses Begrüßungsritual zelebrieren wollen, wenn nicht in Donostia, San Sebastián, dem Gourmetnabel der Welt.