Eine kleine Stange Spargel. Halbiert, blanchiert, gegrillt. Gäste des Sterne-Restaurants Senso Alfio Ghezzi im MART Museum Rovereto können ihr Erstaunen angesichts dieser puristischen Darbietung nicht verhehlen.
Autorin Sabine Ruhland,
Fotos ©foodhunter
(Gericht oben: Panzerotti mit Sardinencrme)
Dann der erste Bissen – Chapeau! Ein Geschmack wie er Spargel nicht intensiver zeigen könnte. Statt mit allzu kunstvollen Arrangements Gerichte in Szene zu setzen, serviert Alfio Ghezzi so wenig wie möglich mit so viel Geschmack wie möglich.
Schade, dass Alfio Ghezzi erst nach dem Dinner aus der Küche kommt. Stets um die Gäste zu verabschieden und zu fragen wie es geschmeckt hat.
Wer das erste Mal im Restaurant „Senso Alfio Ghezzi” im Mart Museum Platz nimmt, würde manche Teller mit größerer Hochachtung betrachten, wenn er vorab um die Philosophie und das Konzept des sympathischen Kochs wüsste: Die Kunst des Wegnehmens
Die hat er bei keinem Geringeren als dem berühmten Meisterkoch Gualtiero Marchesi gelernt, mit dem er einige Jahre zusammengearbeitet hat.
Auch die Vorliebe für klare Präsentation der Gerichte prägt seine kulinarischen Kreationen bis heute – ebenso die Qualität der regionalen Produkte.
Fleisch von artgerecht und frei lebend gehaltenen Tieren aus dem Val d‘Ambiez, Safran aus dem Val di Gresta oder Forellen wie die selten gewordene Marmorata-Forelle vom Trentiner Züchter „Trota Oro”.
Unser Abend beginnt mit kleinen Vorspeisen. Panzerotti mit Sardinen-Creme, Kartoffelpüree mit Steinpilzpulver, Blinis mit Meerrettich-Creme, Leinsamen-Chips mit Olivenpulver und Walnuss-Pesto.
Zu dem Allerlei wird kein Besteck gereicht. Fingerfood der modernen Art.
Erst nach dem „Rantasten” kommt ein Erfrischungstuch – und dann gibt es auch Besteck.
Das Menu ist schlicht beschrieben: „Karotten”, ”Pilze” (in unserem Fall Shitake vom Trentiner Züchter Agricola Guà) , „Knollensellerie”, „Löwenzahn”.
Dazwischen ein völlig normaler, aber auch glücklich machender Gang: Brot mit Wildhefe gebacken, dazu Alpenbutter von der Mondent-Alm.
„Brot wird oft so beiläufig serviert, vorneweg, um den ersten Hunger zu stillen, aber nie mit der gebührenden Aufmerksamkeit. Das wollten wir ändern, deshalb gibt es bei uns das Brot zwischen den Gängen.” Lauwarm serviert – einfach unvergleichlich
Nach diesem bodenständigen Gang hat der Gast beim Hauptgericht die Wahl zwischen drei Fleischgerichten – in unserem Fall, Schwein, Rind, Schaf.
Letzteres wird uns empfohlen, weil es über Nacht bei Niedrig-Temperatur gekocht wurde und mit Fake Risotto (geschredderte Dinkelnudeln) und pickeld Radieschen serviert wird.
Wir geben uns der Empfehlung hin, doch das Schaf hat uns nicht wirklich überzeugt. Völlig überzeugt hingegen hat uns die perfekte Weinbegleitung – die wie alles bei Ghezzi – wieder die Region in den Mittelpunkt rückt.
Dass der süße Abschluss nicht wirklich süß ist, überrascht nicht. Lakritz-Creme mit rohen Erbsen und Milcheis-Creme in dem zartestes Blätterteig, den wir jemals gekostet haben. Hervorragend!
Wenn dann zum Abschied Alfio Ghezzi aus der Küche kommt und mit seinen Gästen fachsimpelt, lächelt und mit Hingabe von regionalen Produkten spricht, ist der Abend perfekt.
Senso Alfio Ghezzi
Mart Museum Rovereto
Corso Angelo Bettini, 43
38068 Rovereto (TN), Italia
Di-Sa 19.30-22 h