500 Jahre Bayerisches Reinheitsgebot frohlocken förmlich nach einer Bierwallfahrt. Das Interesse läge dabei allerdings eher am Weg – auch wenn das Ziel die schwarze Madonna von Altötting sei, sagt Foodhunter-Pilger Rudolf Danner.
Autor Rudolf Danner, Fotos ©foodhunter
Von jeder Haustür führt ein Weg nach Altötting, sagt der Volksmund. Unsere Haustür Nr.2 führt zunächst in das Hotel Traumschmiede, ein von Ernst Raspl 2015 eröffnetes Hotel auf historischem Boden in Unterneukirchen. Neben dem renovierten Traditionsgasthof „ Zur alten Schmiede“, einem Wallfahrtsort für Genießer, können jetzt auch anspruchsvolle Übernachtungsgäste in perfekt ausgestatteten 28 Zimmern und 7 Appartements in Boxspring-Betten mit feiner persischer Baumwollwäsche träumen.
Spätestens beim Abendmahl wird klar: Ernst Raspl, der Spiritus Rektor der Bierwallfahrt – passend zur 500-Jahrfeier des Reinheitsgebotes – sorgt sich nicht nur um das Seelenheil seiner Gäste, sondern hat mit seinem „Bier Genuss Menü“ das leibliche Wohl im Auge. So begleitet ein Leidmann’s Weißbier vom Fass’l den gebackenen Reichenspurner Spargel, mit Alztaler Schinken umwickelt, auf Blattsalaten und Sprossen gebettet. Eine altbayrische mit Käse gratinierte Roggenbiersuppe harmoniert mit dem dunklen Weizen vom Graminger.
Nun haben die Bierwallfahrer die Qual der Wahl: Die zum unfiltrierten Erhartinger Kellerbier saftig gebratenen Schweinefiletmedaillons mit Bärlauch-Malzbierkruste und luftigem Kartoffelgratin oder gegrilltes Saiblingsfilet vom Westenkirchner, dem Fischspezialisten aus Raitenhaslach mit gerösteten Knödeln, Spargel, Speck und Weißbier-Hollandaise. Dazu passt das helle Exportbier vom Bräu im Moos.
Das Erdbeer-Bieramisu mit den Reichenspurner Erdbeeren entzückt mit in Bockbier getränkten Löffelbiskuits krönt das Menü.
Eine Erscheinung am nächsten Morgen: Ein wettergegerbter Wandervogel mit festem Schuhwerk und strammen Waden und einer überdimensionierten Farula – ohne Kreuz versteht sich, das muss jeder Teilnehmer selber tragen. Irritierend seine „riesige Holzlatte“ als Pilgerstab und furchteinflößend die Bekanntgabe, er sei bei der Kripo Rosenheim. Fritz Mayer, ortskundig und humorvoll, mit Trekkingerfahrung in Nepal, Komödiant und Nebendarsteller in Rosenheim Cops mit „gewaltigen“ Sprechrollen, wie er selbstironisch betont, wird uns beim 17 km langen Wallen begleiten.
Die erste Etappe – nur ein Katzensprung – führt zur Brauerei Leidmann, in der neben obergärigen Weißbieren auch ein naturbelassenes unfiltriertes Untergäriges – das „Burschenbier“ mit 5,4% ausgeschenkt wird. Die Wirtin im Dirndl, das barocke Formen am besten zur Geltung bringt, serviert mit strahlendem Lächeln eine Schüssel mit dampfenden Weißwürsten. Als Verdauungsschnaps wird der ‚Weiße Bock‘ kredenzt, ein Bierbrand aus Weizenbockbier, 2013 Edelbrand des Jahres. Mit Gottvertrauen bezüglich der Wetterbedingungen machen wir uns auf den Weg zum Bräu im Moos im 5 km entfernten Naturschutzgebiet Mörnbachtal.
12 Biersorten, alle mit dem würzigen Hallertauer Aromahopfen gebraut, stehen zur Wahl und begleiten je nach Gusto ein 3-Gänge Menü. In dem von mächtigen Kastanien beschatteten Biergarten strahlt die Sonne bereits auf die umliegenden Hirschgehege und den gedeckten Wallfahrertisch. Nach der Brauereiführung und in Erwartung der anschließenden Kutschenfahrt schmeckt der geschmorte Tafelspitz vom Milchkalb in einer Bier-Senfsauce besonders zum süffigen Export Hell. Im Hof scharren Alex und Mike, zwei prächtige Rappen mit Glöckchen und Häkeldeckchen als Kopfschmuck mit den Hufen. Sie sollten die Pilgerschar – bisher auf Schusters Rappen unterwegs – zur 9 km entfernten dritten Station bringen.
Im Graminger Weißbräu vor den Toren Altöttings ist dann Frauenpower angesagt. Drei Schwestern und ausgebildete Braumeisterinnen stellen überwiegend obergärige Weißbier-Spezialitäten her und haben auch ein alkoholfreies „Schwarzfahrerbier“ kreiert. Das üppig belegte, bunte Brotzeit-Brettl bringt optischen Genuss und die ohnehin überfüllten Mägen in Verlegenheit.
Bierselig und gerne wieder bewegungsbereit absolviert der Pilgertrupp die letzte ca.1/2 stündige Strecke bis ins Zentrum von Altötting. Dort erwartet uns Pater Norbert, ein Kapuziner mit wallendem weißen Bart, im braunen Habit mit Strick um die stattliche leibliche Mitte gegürtet. Zitate zum Gerstensaft aus heiligen Schriften, geistlicher Segen, die beeindruckende Begegnung mit der Schwarzen Madonna in mystisch beklemmender Atmosphäre , prunkvoll gefasste Herzen der Wittelsbacher, weit über 2000 Votivtafeln im Oktogon sind Lohn der Wallfahrt , sowie als überirdische Tröstung eine Flasche Pilgerbier von der Hellbrauerei in der Bügelverschlussflasche mit Porzellankopf.
Mancher sollte sich am Konradbrunnen nicht nur wie üblich die Augen waschen, sondern sich gleich einer Kopfwäsche unterziehen. Wie zur Mahnung verkündet der Tod z‘ Eding sein „memento mori“ vor dem „carpe diem“ auf der 7 m hohen Schrankuhr in der Pfarrkirche und schwingt seine Sense im Sekundentakt. Und als Endszenario fehlt noch Bierwallfahrers Alptraum: mit Weihwasser gebrautes weihrauchiges Starkbier, schwarz gedarrtes Gerstenmalz kräftig eingekocht, mit Myrre-Aromahopfen kalt gestopft und mit himmlischer Flughefe vergoren. Gott bewahre uns!
Nach à la carte Abendmahl und einer weiteren Nacht in der Traumschmiede, wartet in der ältesten wasserbetriebenen Hammerschmiede in Europa ein feuriges Finale auf die Bierpilger. Herr Wagenhofer, der Schmied von Burghausen, ein Prachtexemplar von einem Mann in mittelalterlichem Outfit, spielt und arbeitet mit den Elementen: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Die Hammerschmiede besteht seit 1465 und ist beurkundet seit Juli 1516 von Herzog Wilhelm IV. von Bayern, genau jenem Herzog, der am 23. April 1516 das Reinheitsgebot unterschrieben hat.
Doch nun wallet, siedet und zischt es, wenn Wasser (Bier) und Feuer sich mischen – der Schmied taucht das auf ca. 600° erhitzte glühende Eisen ins Bockbier. Der Hitzeschock lässt das Bier gewaltig aufschäumen, der Schaum erwärmt sich und drängt aus dem Glas, der unvergorene Zucker karamellisiert, das Bier dagegen – ehemals eiskalt aus dem Keller geholt – erwärmt sich nur minimal auf Trinktemperatur. Staunend schlürfen sich einige mutige Wallfahrer durch den warmen Cappuccino ähnlichen Bierschaum und ein kalter würziger, leicht malzsüßer Schluck Bockbier erfrischt den Gaumen.
Das spektakuläre Ritual der Schmiede zur Vorbereitung des ultimativen Genusses heißt „Bier stacheln“. Ein denkwürdiger Abschluss einer bierkulinarischen Wallfahrt zu Ehren des Gambrinus und der Schwarzen Madonna. Pater Norbert zitiert aus den Sprüchen Salamons: „Gebt starke Getränke den betrübten Seelen, auf dass sie ihres Elends nicht mehr gedenken“. So erteilt er der Bierwallfahrt seine zumindest weltliche Absolution und verschafft nicht nur betrübten Seelen unter den Teilnehmern ein gutes Gewissen.
BIERWALLFAHRT: DER WEG IST DAS ZIEL
Start: Gasthaus Raspl „Alte Schmiede“ in 84579 Unterneukirchen, Tüßlinger Str.1 und Hotel Traumschmiede Nr.2-Tel.+49 (0)8634 1535. Verschiedene Varianten ab 6 Personen buchbar von je nach Teilnehmerzahl 55€ bzw.85€ mit Biermenü , bis zu 179€ mit 2 Übernachtungen und vollem Programm.
www.hotel-traumschmiede.de
STATION I
Brauerei Leidmann, im Ort gelegen, sehr kleine Familienbrauerei mit ab Haus Verkauf, feinste Weißbiere, schattiger Biergarten und kommunikationsfreudige Wirtin.
www.brauerei-leidmann.de
STATION II
Bräu im Moos, im Mörnbachtal, weitläufiges Hirschgehege, ,traumhafter Biergarten, bayrische Spezialitäten und 12 top Biersorten, Brauereiführung mit Museum. www.bräuimmoos.de
STATION III
Graminger Weißbräu, Familienbrauerei vor den Toren Altöttings, drei Schwestern, Weißbierspezialitäten, alkoholfreies Schwarzfahrerbier, schöner Biergarten
www.graminger-weissbraeu.de
STATION IV. DAS SPIRITUELLE ZIEL
Altötting Gnadenkappelle mit schwarzer Madonna
www.altoetting.de, www.inn-salzach.com
Burghausen: Besuch der ältesten europäischen Hammerschmiede und der mit über 1000 m längsten Burganlage der Welt. Mit dem Waffen- und Kunstschmied Wagenhofer in filmkulissenreifer historischer Hammerschmiede ins Mittelalter eintauchen, selbst Hand anlegen und das Bierstacheln erleben. www.hammerschmied.de, Tel. 08677979545. Interessante Themenführungen von kompetenten Burgführern auch für Kinder, Burghausentouristik, Stadtplatz 112, Tel. .08677887140
Anschließend wartet in Raitenhaslach der bekannte Kastanienbiergarten inmitten des Zisterzienserklosters u.a. mit einer Spezialität aus dem Klosterweiher: ein im Ganzen gebratener Saibling und zum Abschluss kann man sich auf einer historischen Plätte(früher ein flaches Floß ähnliches Boot zum Salztransport) sogar nach Burghausen zurückbringen lassen. Tel. 08677887140. www.klostergasthof.com,