Alpabtrieb in Schwarzenberg, Alpkäse-Prämierung im Angelika Kaufmannsaal und Kuchenspezialitäten in der Holzschachtel des Cafes Angelikahöhe. foodhunter Rudolf Danner hat die schönsten Geschichten aus dem Bregenzerwald und rund um den Bregenzwälder Käseherbst mitgebracht.
Autor Rudolf Danner, Fotos ©Foodhunter
Schwarzenberg im Bregenzer Wald. Der Dorfplatz mit Brunnen und historische Gasthäuser bilden die Kulisse für eine spektakuläre Inszenierung. Die Freilichtbühne ist der Scheideplatz. Hier scheiden sich aber weder die Geister noch werden Ehen geschieden, Hauptdarsteller sind Rinder, Kälber, Schafe und Ziegen, die nach Monaten in der Sommerfrische auf den Hochalpen von der Herde abgeschieden ihren Besitzern wieder zugeteilt werden.
11 Alpen und über 2000 Viecher – eine gigantische Show
Die 1900 Schwarzenberger Wäldler rüsten sich Mitte September für den „Tag des Jahres“ – Pflichttermin seit 400 Jahren für alle Einheimischen und Wunschprogramm für die Touristen. Die Juppetracht hat Ausgang, die Gasthäuser harren dem Ansturm, das Bähnle begleitet, gezogen von einer 80 Jahre alten Dampflok, die Herden zum Scheideplatz. Im Dorf warten Zuschauer auf das Eintreffen der ersten Alpe.
11 Alpen mit über 2000 Kühen, Kälbern, Schafen und Ziegen kündigen ihre Ankunft bereits von weitem mit Glockenkonzert an. Bis zu 10 Stunden, zum Teil auf gefährlichen Pfaden talabwärts getrieben, sind sie unterwegs. Festlich aufgebüschelt, die Köpfe mit bunten Bändern und Kränzen aus Tannengrün geschmückt, die Schwänze toupiert, Festglocken baumeln am breiten Lederband.
„Man spürt die enorme lebensgrundlegende Bedeutung der Milch- und Fleischlieferanten, zollt dem Vieh Respekt und Anerkennung.“
Ein Spektakel für die Zuseher, ein harter Job für Älpler und Bauern, wenn gegen Abend die größte Alpe Schadona mit 555 Jungvieh und über 1000 Schafen auf dem Dorfplatz eintrifft. Jetzt gilt es Kühe und Kälber an die jeweiligen Besitzer zu verteilen. Den Tieren ist der Dorfbrunnen eine willkommene Tränke und die Älpler haben sich anschließend ihr traditionelles Essen in den Gasthäusern redlich verdient.
Man spürt die enorme lebensgrundlegende Bedeutung der Milch- und Fleischlieferanten, zollt dem Vieh Respekt und Anerkennung. Der Alpabtrieb beschließt den Zyklus der Dreistufen-Landwirschaft (Heimbetrieb / Vorsäß / Hochalpe) – immaterielles UNESCO Welt Kulturerbe und Voraussetzung für die Milch-und Käseproduktion. Um das Vieh ganzjährig mit silo-freiem Futter zu versorgen reicht die hofeigene Fläche meist nicht aus. So ziehen die Familien oder Teile davon im Spätfrühling vom Hof zunächst auf die Vorsäß, eine niedriger gelegene Alm, um dann Anfang Juli auf die Hochalpe zu wechseln.
Ein paar beeindruckende Zahlen …
40.000 Stück Vieh wird in Vorarlberg von 1000 Älplern in den Bergen gehalten, 530 bewirtschaftete Almen gibt es. Auf 130 Sennalpen werden 9000 Milchkühe gealpt und 500 t Käse produziert. Allein die Sennerei Schwarzenberg verarbeitet täglich 15.000 bis 45.000 kg Milch von bis zu 500 Lieferanten zu Käse und Butter. So entstehen jährlich aus etwa 10 Millionen Liter Milch 450 t Bergkäse, 550 t Schnittkäse und 100 t Butter.
Die größte Heukäse-Prämierung
Gleich nebenan im Angelika Kaufmannsaal, wo zweimal im Jahr die berühmte Schubertiade (das weltgrößte Schubertmusikfestival) stattfindet, wartet der kleine Ort mit einem weiteren Superlativ auf: die Heukäse-Prämierung.
160 Sorten haben die Sennereien eingereicht, eine Fachjury prüft und prämiert die Alp- Berg- und Schnittkäse. Konsistenz (von cremig geschmeidig bis schmelzend und zerfließend), Mundgefühl (von glatt, mollig bis samtig-seidig) und Teilchengröße (von kristallin, krümelig bis mürb und sandig) sind entscheidende Kriterien. Natürlich werden auch Kategorien wie Duft, Aromen und Geschmack (fruchtig pflanzlich wie Jungholz, Blumenwiese Marzipan Honig Zitrusfrüchte oder milchig-rahmig wie Buttermilch, Sauerrahm-Joghurt, oder malzig-röstig wie helles Karamell, Leder, Kaffee und geröstete Brotsorten) bewertet.
So lässt sich etwa der hochprämierte Vorarlberger Alpkäse wie folgt beschreiben:
„Im Duft dominieren geröstetes Weißbrot und Malz. Buttermilch sorgt für eine milchige wie feinsäuerliche Komponente. Charmant abgerundet wird dies durch Honig, Muskat und Heu. Ähnlich erweist sich der Gaumeneindruck mit feinem Malz und hellem Karamell, was je nach Reifegrad in dunkleres Karamell übergeht. Hinzu kommen Walnuss, und gekochte Erdäpfel, reife Zitrusfrüchte sowie rahmige Anklänge. Die Textur ist schön kompakt und mürb und zeigt sich am Gaumen wunderbar geschmeidig. Im Ausklang verbleibt ein keckes Spiel von Süße und Salz.“
Foodhunter-Genießer-Tipp Cafe Angelikahöhe
In mehrfachem Sinne ausgezeichnet ist auch das Cafe Angelikahöhe. Erstaunen beim Betreten des alten Wäldlerhauses: Innenarchitektonisch gelungen, modern puristisch und funktional eingerichtet. erinnert das Cafe an eine mit Weißtannenholz verkleidete riesige Zündholzschachtel. – Keine Überraschung, dass dieses Schmuckkästchen von Gabi Innfeld in einem Bildband über die besten Cafes der Welt wiederfindet. Mit ihrer Schwester Wilma Zündl fertigt sie täglich hausgemachte Kuchen und Torten. Herausragend und alle Sünden wert die Walnuss-Karamelltorte. www.angelikahoehe.at