Nach Wanderjahren durch die Küchen von Schuhbeck, Bouley in New York oder Nadia Santini zu Mantua ereilte ihn vor zwanzig Jahren der Ruf der Berge. Erst verlangte das Castel Colz nach einem neuen Chef, bald darauf krempelte Norbert Niederkofler das Hotelrestaurant im Hotel Rosa Alpina in St. Kassian gründlich um. Schon bald hatte sich das Restaurant St. Hubertus zu einem Pilgerort für verwöhnte Feinschmecker entwickelt. Insbesondere sein meisterhafter Umgang mit Foie Gras und Hummer hatte sich rumgesprochen. Seither wundert sich niemand mehr, wenn rassige Sportwagen über den Campolongo oder das Grödner Joch ins malerisches Tal einfallen. Es folgten Michelin Sterne, Gambero Rosso Gabeln und Gault Millau Mützen im Übermaß – und Gewissensbisse bei Norbert Niederkofler.
Autor Martin Swoboda, Fotos homolka
Genau zu jener Zeit setzte sich nämlich auch in der Haute Cuisine die Begriffspaarung Saisonal & Regional durch. Kostspielige Zutaten über die Weltmeere zu schippern wurde zunehmend als Symptom mangelnder Kreativität gesehen. Womit Niederkofler sich allerdings einem Problem gegenüber sah: was lässt sich im Winter in einem Hochalpinen Umfeld an frischen Ingredienzen auftreiben, von Speck und Käs mal abgesehen?
Nun, früher sind die Tiroler auch nicht verhungert, vielmehr haben sie sich rechtzeitig überlegt, wie sie die Früchte ihrer Feldarbeit auch noch nach dem Weihnachtsfest genießen können. Die alten Kenntnisse wieder nutzbar zu machen war der logische nächste Schritt und die Gründung des Forschungsinstituts “cook the mountains – Gastronomie in den Bergen” die Konsequenz aus Niederkoflers intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema. Zu seinen Mitstreitern zählen Landwirte und Züchter, aber auch Unternehmer, Alpinisten und Soziologen.
Einen Vorgeschmack auf die Ergebnisse des Projekts, welches auf der EXPO 2015 in Mailand der Öffentlichkeit präsentiert wird, findet sich bereits im Menü des St. Hubertus und auf dem Programm von Niederkoflers Workshops im Ciastel Colz. Wenn etwa ursprüngliche Karotten und diverse andere Rüben und Wurzelgemüse im Spätherbst in der Erde belassen und mit Stroh abgedeckt werden. Dadurch stoppt der Wachstumsprozess ohne dass sich die Inhaltsstoffe oder der Geschmack verflüchtigen können.
Beeindruckend intensiv entfalten sich die puren Aromen, vor allem, wenn man sich an Niederkoflers Zubereitungsmethoden ein Beispiel nimmt. Denn die Vorratshaltung endet nicht bei der Lagerung des Rohmaterials, auch bei der Weiterverarbeitung lässt sich noch einige Zeit gewinnen. Hauchzart aufgeschnitten, im eigenen, schonend zentrifugierten Saft oder in agro-dolce mariniert und vakuumiert scheinen sich die Geschmacksstoffe noch einmal zu konzentrieren, bevor sie ihr erdig-frisches Bouquet auf den erstaunten Gaumen loslassen.
Das ist nur ein kleines Beispiel für die Philosophie von “cook the mountain”, welche neben den leiblichen Genüssen auch den Geist und die Seele mit einbezieht, dabei aber keineswegs esoterisch oder rückwärtsgewandt daherkommt. Und chauvinistisch schon gar nicht, dazu ist Niederkofler zu weltoffen und neugierig. Das zeigt sich übrigens jeden Jänner von Neuem, wenn er beim Audi Chef´s Cup Freunde zu sich einlädt,um in der Küche und auf der Piste gemeinsam Spaß zu haben. Natürlich beides auf höchstem Niveau, schließlich sind wir dann ganz oben in den Dolomiten!