Reiner Alkohol, Anis, Fenchelsamen und weitere Kräuter, das ist die Basis für Ouzo, jenem Getränk, das untrennbar mit dem Griechenlandurlaub verbunden ist. Der griechische Oúzo hat um die 40 % Vol. Alkohol, durchaus steigerungsfähig auf 46 % Vol. Entstanden ist Oúzo vermutlich aus dem griechischen Tresterbrand aus Mazedonien, der schon Jahrhunderte zuvor von den Türken hergestellt wurde. Höchstes Lob erfährt der “Oúzo of Plomári” auf der Insel Lésbos. Warum, das hat Martin Swoboda für uns in Erfahrung gebracht.
Autor Martin Swoboda,
Fotos ©homolka
Der Flughafen von Lésbos liegt direkt am Meer, am frühen Morgen spiegelt sich die Sonne funkelnd darin und blendet doppelt. Als Geburtsort des Oúzo gilt gemeinhin Plomári, abgelegen an der Südküste, ein gutes Stück fernab der touristischen Zentren, Lésbos ist schließlich die zweitgrößte Insel in der Ägäis.
Nach einer Stunde kurvenreicher Fahrt stehe ich tatsächlich am Ende einer engen, dicht bewaldeten Schlucht am Hafen von Plomári. Dort treffe ich Ingenieur Iannis Stergelis. Er schaut aus wie ein griechischer Albert Einstein, die knallorangene Latzhose konterkariert die Seriosität, welche ihn als Bauamtsdirektor a.D. von Natur aus umgibt.
Er beginnt seine Führung bei der Fabrik von Isidoros Arvanitis. Dessen `Oúzo Plomariou´ ist Marktführer unter den Qualitäts-Oúzos. Herrn Arvanitis gibt es schon lange nicht mehr. “Die Fabrik hat ein reicher Athener gekauft,” erklärt der Ingenieur abschätzig, und wir begeben uns sogleich zur Brennerei Barbajiannis am Ortsrand.
Dort sitzt die Familie noch fest im Sattel, man kann sich auch gleich mit Wegzehrung eindecken. Verkauft wird in der Einrichtung des ehemaligen Duty Free Shops vom alten Athener Flughafen in strengem 70er Jahre Retro-Stil.
Während wir danach durch die engen Gassen der Altstadt zur nächsten Destille schlendern, erzählt Kyrie Stergellis von den Seifenfabriken, die im neunzehnten Jahrhundert die Haupteinnahmequelle von Plomari darstellten. Mächtigen Ziegelbauten am sommerlich trockenen Flussufer untermauern seine Behauptung, neunzig Prozent Exportquote.
Den Alkohol haben die italienischen Großhändler nur nebenbei mitgenommen, als Draufgabe quasi, und auf die Kisten mit der ersten Qualität “per uso a marsiglia” gepinselt, damit die beste Ware auch sicher bei ihren Vertragspartnern in Marseille landen möge. Seither nennt der Grieche dieses Getränk (im Grunde irrtümlicherweise) Oúzo und trinkt es am liebsten selbst.
Tatsächlich heizt er den Brenner mit Holz, keine Spur von Automation hat in seinem Reich Einzug gehalten
Wir treten in ein kleines Geschäftslokal in einer Seitengasse, auf nicht mehr als sechzig Quadratmetern türmen sich Kisten mit Flaschen, eine Dame beklebt sie händisch mit altmodischen Labels. Der Ingenieur erkundigt sich nach dem Chef. Der sei gerade beim Brennen, erklärt Frau Pitsiladis, sie ist die Chefin und zuständig für alle anderen Belange der Geschäftstätigkeit. Sogar der einheimische Herr Stergellis muss nach dem Weg fragen, so versteckt liegt die Produktionsstätte.
Am Ende einer noch schmaleren Gasse versperrt ein Stoß Brennholz den Weg bevor dieser ins trockene Flussbett fällt, Herr Pitsiladis mustert uns verschwitzt aus seiner kleinen Kammer. Tatsächlich heizt er den Brenner mit Holz, keine Spur von Automation hat in seinem Reich Einzug gehalten. “Seit 1860” steht auf seinen Flaschen geschrieben, und tatsächlich hat sich hier seit Anbeginn der organisierten Brennerei nichts verändert, wie der Ingenieur stolz betont.
Die daraus resultierende Qualität will er mir in der nahen Oúzerie beweisen, natürlich bei reichlich `Mezedes´, jenen kleinen Häppchen aus Meer und Heide, ohne deren Begleitung sich kein Grieche je dem Alkohol widmen würde. So behält man einen klaren Kopf, den braucht man auch, wenn man noch nach Petra am anderen Ende der Insel möchte.
Dort nämlich, in der Nähe der beeindruckenden alten Hauptstadt Mythimna, brennen die Kouromichalis ihren Oúzo. Man übersieht die unscheinbare Manufaktur leicht, direkt gegenüber steht mit dem Haus der Vareltzidaina Familie ein beeindruckendes Beispiel der ottomanischen Blütezeit der Insel, byzantinische, barocke und neoklassizistische Architekturdetails lassen dieses Herrenhaus wie einen kleinen orientalischen Palast erscheinen. Gegen Ende der Hochblüte osmanischer Herrschaft kam 1884 Basile Kouromichalis aus Konstantinopel zurück auf die Insel, im Gepäck das Wissen und die nötige Gerätschaft zur Herstellung von Branntwein. Denn diese Kunst haben die Türken von den Arabern gelernt.
Doch die besten Ausgangsprodukte findet man auf Lésbos, vom klaren Wasser über beste Weintrauben bis zum besonders milden, hocharomatischen Anis. Der gedeiht nur auf den Wiesen oberhalb von Parakila an der weiten Bucht von Kallonis, darin stimmt auch Ourania, Enkelin des Gründers und aktuelle Matriarchin, mit den Pitsilidis und Barbajiannis überein. Was den Namen anlangt, hat man hier allerdings eine andere Erklärung: Der Opa hat Oúzo schließlich noch aus Üzüm gebrannt, so heißt der Traubensud im Türkischen!
GUT ZU WISSEN
- Das Küstenstädtchen Plomári liegt Süden von Lésbos.
- Es bietet viele gute Tavernen – kein Wunder, gilt der Oúzo aus Plomári als der beste aus ganz Griechenland.
- Plomári putzt sich nicht heraus, und anders als bei uns wird das Werden und Vergehen nicht kaschiert.
- Übernachtungstipp: Gästehaus Leda – nur acht Zimmer!
Das 150 Jahre alte “Traditional Guesthouse Leda” liegt nur 400 m vom Strand entfernt. Garten, Grillplatz, Balkone mit Blick auf den malerischen Ort und Zimmer im Landhausstil mit kostenlosem WLAN. Mytilini, die Hauptstadt der Insel Lesbos, ist 40 km entfernt und der Flughafen Lesbos 46 km. Die öffentlichen Parkplätze, die 150 m von der Unterkunft entfernt sind, sind für Gäste kostenfrei.