„Probieren Sie ruhig.“ Rita Goller schmunzelt angesichts unseres skeptischen Blicks. Eine Schneckenpraline will gekostet werden. Schnecke, ja genau jene, die uns langsam dahinziehend auf Wiesen und in Weinbergen begegnet. Weinbergschnecke oder Albschnecke genannt. Verpackt als Praline. Na dann wollen wir mal.
Auto Sabine Ruhland, Fotos ©Foodhunter
Wir sind im Biosphärengebiet Schwäbische Alb, eine UNESCO Auszeichnung, die nicht viele Regionen für sich beanspruchen dürfen. Nur 15 solcher Gebiete gibt es deutschlandweit. Von der bekannten A8 meilenweit entfernt und versteckt hinter Tälern und Schluchten liegt Münsingen-Rietheim, Adresse der Schneckengartens von Rita Goller.
Nun ist das ja mit den Schnecken so eine Sache. Igitt! ist wohl das bekannteste Wort in Verbindung mit den Weichtieren, dicht gefolgt von „schmecken nach Gummi“ oder „sind schleimig“. Doch wie immer: es ist alles eine Frage der Produktqualität, der Aufzucht, des Zeitpunkts „der Ernte“, der Zubereitung und der Kreativität des Kochs.
Bevor wir in die Praline beißen, klärt uns Rita Goller über Vielerlei auf, dass es Zuchtschnecken aus Frankreich gibt, Billigprodukte, innerhalb eines Jahres hochgemästet, die kaum Eigengeschmack besitzen, dass Schleim nur entsteht, solange die Schnecke aktiv ist. Dass sich Schnecken, wenn sie sich in ihrem Häuschen zum Winterschlaf verdeckelt, zuvor ihres Schleims entledigt, überhaupt erst nach 3,5 Jahren geschlechtsreif sind, sich dann aber dem längsten Liebesspiel im Tierreich hingeben, satte 24 Stunden. Weshalb Rita Goller ihre Schnecken erst nach vier bis fünf Jahren zum Verkauf freigibt.
Tierschützer können beruhigt sein. Ritas Weinbergschnecken sterben im Schlaf.
In verschiedenen Beeten leben die verschiedenen Altersklassen. Doch eines haben sie alle gemein: ab September werden sie ruhiger und kaum wird es kühler, beginnen die Schnecken sich eine Kuhle oder geschützten Platz zu suchen und sich einzudeckeln. „Das dauert bis November“, erzählt Rita Goller, „dann sammeln wir die ältesten Exemplare ein und verkaufen sie frisch.“
Quasi im Schlaf wird die Schnecke getötet. „Die Deckelschnecken kommen ins kochende Wasser, wobei darauf zu achten ist, dass nicht zu viele Schnecken in den Topf geschüttet werden. Das Wasser muss sprudeln, das ist wichtig. Nach 15 Minuten die Schnecken aus dem Wasser nehmen, der Deckel hat sich abgesprengt, mit einer Spicknadel herausziehen, den Eingeweidesack abschneiden und dann ca. zwei bis zweieinhalb Stunden kochen lassen.“ Langes kochen = Gummi? „Eben nicht“, sagt Rita Goller. „Je länger die Schnecke kocht, desto zarter wird sie.“
Nun, da Ritas Schneckenverkauf erst in einigen Wochen beginnt, begnügen wir uns mit den Schneckenpraline. Sie schmeckt köstlich und keine Angst, sie beißen nicht auf die Schnecke am Stück. Es sind nur winzige Pünktchen in der hellen Schokomasse zu sehen. Ein etwas anders Dessert-Vergnügen.