FOODHUNTER-Autorin Karin Lochner ist gerne unterwegs: Wandern, Skifahren, Berge erklimmen. So hat sich dem Länderdreieck zwischen Zillertal, Corvara und Großglockner hingegeben und Adressen entdeckt, die weit mehr bieten als Germknödel und Jagatee.
Autor Karin Lochner, Fotos Peter von Felbert, Achim Kraus
Jerzner Hof, Jerzens, Österreich
Der Koch des „Jerzner Hofes“, Bruno Wohlfahrter, will nicht fotografiert werden. Seine Gerichte stünden im Mittelpunkt. Die können gerne aufs Bild. Aber er? Bekannt ist der Chef durch sein Bekenntnis, die hochwertigen Zutaten nicht verfälschen zu wollen.So spielt er mit dem Rollmops, der sich eher nach Imbiss anhört. Wohlfahrter jedoch formt den Rollmops aus den feinsten heimischen Forellenfilet und serviert dazu Zucchini-Tatar und tournierte Kartoffeln. Eine gute Wahl. Am Nachbartisch schwärmt man vom Wiener Rindsgulasch. Bei Wohlfahrtner behält jedes Gericht die originale regionale Note.
Das Familienhotel, geführt von Familie Eiter, bietet weitere Trümpfe: Der Spa-Bereich ist gerade weitläufig genug, um den Wow-Effekt bei jedem Besucher auszulösen, der gerne schwimmt, schwitzt und sich die Schultern massieren lässt. In den Kaminen brennt Feuer, ich hole mir einen Kräutertee und kuschle mich in die Nachmittagssonne aufs Schaffell. Als dem Sohn des Hauses klar wird, dass wir aus München kommen, schwärmt er vom FC Bayern, dass ihm die Ohren glühen. Schnell sind wir Teil der großen Familie. Ein Gast programmierte sogar eine App, damit man immer tagesaktuell weiss, worauf man sich im Hause freuen kann z. B. an diesen Abend auf Jerzner Speckknödel Brätl. – Womit wir schon wieder beim Essen wären. Jerzner Hof, Oberfeld 170, A-6474 Jerzens, www.jerznerhof.at
La Perla, Corvara, Italien
Früher einmal war Michil Costa, der Inhaber des Vier-Sterne-Hotels „La Perla“, Punk im London der Siebziger Jahre. Ein wenig ahnt man das Rebellische noch. Er lächelt verschmitzt und hat statt teurer Kugelschreiber viele Buntstifte in seinem Jackett stecken. Das sieht selbst mit Anzug lässig aus. Dass die Region Alta Badia zu einer der nobelsten Wintersportregionen aufgestiegen ist, dazu hat Michil Costa viel beigetragen. Vom Parkplatz des Hotels blickt man auf die Dolomiten und kann im Winter in wenigen Schwüngen die Sella Ronda befahren.
Zur Piste und zur Seilbahn sind es vom Parkplatz aus genauso viele Schritte wie in das hoteleigene Sternerestaurant „La Stüa de Michil“, das seit 2002 ununterbrochen mit einem Michelin Stern ausgezeichnet wurde. Da zieht es uns hin. Die Einrichtung stammt von einem jahrhundertealten ladinischen Bauernhof. Die Gäste lieben diese Stube, die viel Geborgenheit vermittelt. Auch dass man sich manchmal ein wenig ducken muss, um sich nicht den Kopf an einem Balken anzustoßen, erscheint wie eine Verbeugung vor Arturo Spicocchi, dem aus Marken stammende Küchenchef. Es gibt fast ausschließlich regionale ladinische sowie saisonale Speisen. So zum Beispiel einen Rehrücken in der Lebkuchenkruste, und als Nachtisch mit Kümmel aromatisierte „Verlorene Ritter“.
Maître Manuel kümmert sich nicht nur um das Wohl der Gäste, sondern auch um den hoteleigenen Weinkeller „Mahatma Wine“. 30.000 Flaschen, darunter edle Tropfen wie Sassicaia und Château d’Yquem. Gänseleber-Pastete hingegen suchen Gäste vergebens auf der Karte. Und auf Äpfel und Erdbeeren muss man bis Juni verzichten. Dafür gibt es raffinierte Aromen und italienische Geschmackserlebnisse auch in den anderen Restaurants des La Perla, z. B. Wurstwaren aus den Abruzzen und Burrata aus Neapel, aber auch regionales Hirschfilet und hausgemachte Knödel. Ein kulinarisch aufregender Balanceakt zwischen mediterraner und südtiroler Küche, der uns begeistert, weil er den einmaligen Erzeugnissen ihren verdienten Raum lässt.
Bei so vielen Geschmackserlebnissen haben wir kaum Lust, das Haus zu verlassen. Selbst dafür hält das La Perla eine schöne Überraschung bereit: Gäste, die ihr Auto während des Hotelaufenthaltes drei Tage nicht benutzen, bekommen zum Dank eine Flasche Sassicaia und ihr Wagen wird symbolisch mit einem grünen Band verziert. So verwandelt sich eine Gabe aus dem Weinkeller – der Inbegriff bourgeoiser Dekadenz – subtil in einen Akt der Rebellion. Das hätte seinerzeit sogar den Punk in London gefreut. La Perla, Str. Col Alt 105, I-39033 Corvara (BZ) Alta Badia www.hotel-laperla.it
Gradonna, Kals am Großglockner, Österreich
Im „Gradonna“ in Kals riecht es wunderbar nach Zirbe. Im Foyer genauso wie in den Zimmern. Die Nische, die sich dort mit einem Vorhang vom restlichen Zimmer abtrennen lässt, ist ruckzuck eine kuschelige Ecke für Paare verwandelt oder einfach der exklusive Aussichtsplatz auf den mächtigen Großglockner. Die Nische ist eines der vielen zauberhaften Details des 2012 eröffneten Gradonna Mountain ResortChâlets & Hotel in Kals am Fuße des Großglockners.
Ein schöner Geist weht durch das Haus. Die Chalets stehen kreuz und quer, so wirkt es manchmal. Dabei wurde darauf geachtet, dass alles organisch bleibt, kein Felsen und kein Baum dem Bauprojekt weichen musste. Für die wunderbar duftenden Zimmer hat man eine Jahresernte an Zirbenholz verarbeitet. Heimische Leinen, Loden und Filzstoffe verströmen eine bodenständige und gleichzeitig exklusive Note, in den Zimmern, wie auch im Restaurant.Hier wirkt Michael Karl mit seinem Team aus zehn Köchen.
Bis zu 340 Halbpensionshotelgäste werden neben den 30 Plätzen des à-la-carte Restaurants versorgt. Weil man nur eine Stunde von Friaul entfernt ist, schlägt sich der mediterrane Einfluss in der Speisekarte nieder. Mit Kartoffelpasta umwickelte Garnelen, gebackene Mozzarellaknödel auf Safranrisotto oder Zucchinipiccata mit Rucolanudeln und Parmesan. – Flankiert von alpinen Spezialitäten wie Osttiroler Berglamm in der Kräuterkruste oder Rehnüsschen mit Polenta. Bei so vielen Gästen so gleichbleibend gut zu kochen, verdient höchsten Respekt. Gradonna, Gradonna 1, A-9981 Kals am Großglockner www.gradonna.at
Adler Lounge, Kals am Großglockner, Österreich
Ebenfalls in Kals steht der futuristische Würfel, eine kühne Glaskonstruktion, Adresse des Restaurants „Adler Lounge“, einem der höchstgelegenen Haubenlokale der Alpen. Um uns herum ist draußen wie drinnen gleißende Sonne und die endlose Weite des Panoramas mit 60 Dreitausendern. Die Erwartung auf ebensolche kulinarische Höhenflüge spiegelt sich schon in den Gesichtern der Gäste.
Küchenchef Walter Hartweger greift zu Tiroler Spezialitäten, um seine Gäste zu verwöhnen. So steht ein rosa gebratenes Entrecôte vom Almrind genauso wie ein Hirschragout als einer der Klassiker auf der Karte. Bereits bei der Ente zeigt der Koch seine Verspieltheit und serviert als Beilagen Powidl-Radicchio und geschmorten Kürbis statt Blaukraut und Knödel. Die Extravaganz des Bergrestaurants betont Hartweger besonders im 4-gängigen „Adler Lounge Menue“ und offenbart seine exotische Vorliebe mit Gerichten wie einer Tomatenessenz mit Thai Spargel oder Garnelen mit Paprika-Ingwer und Avocado.„Tom Ka Gai läuft bei uns genauso gut wie Gulasch!“, freut er sich.
Ein paar komfortabel ausgestattete Zimmer gibt es zum Übernachten. Wer das Glück hat, eins zu ergattern, ist im Einklang mit den 2621 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Zudem ist es ein unschätzbarer Vorteil, wenn nach vier Gängen keiner mehr die Ski anschnallen und ins Tal fahren muss. Nur noch auf die großzügigen Sofas im Loungebereich sinken und der Sonne beim Untergehen zusehen. – Luxus auf höchstem Niveau. Adler Lounge, Haus Nr: 81, A-9981 Kals am Großglockner www.adlerlounge.at
Wirtshaus zum Griena, Mayrhofen, Österreich
Das „Wirtshaus zum Griena“ in Mayrhofen im Zillertal stammt aus dem Jahre 1580 und ist ein kleines Juwel. Wirtin Alexandra Maria Thaler und ihr Bruder Clemens, der Koch, erfüllen ihren Gästen den Wunsch nach Unverfälschtheit, wie es ein so historisches Anwesen verdient. Gepfefferte Milchsuppe mit Brot oder Schliachtarnudeln mit Graukäse sind typisch Zillertaler Gerichte, wie sie die Menschen jahrhundertelang zubereitet haben und die heute dabei sind, in Vergessenheit zu geraten.
Unser liebstes ‚Arme-Leute-Gericht‘ sind die Zillertaler Krapfen, eine Art Ravioli mit Käsefüllung, so delikat, dass wir fast nicht mehr aufhören können, obwohl der nächste Gang schon wartet: Die würzige Kraftbrühe mit den Kaspressknödeln. Trotz satter Glückseligkeit ist der süße Abschluss zu verführerisch, um darauf zu verzichten: Der weit über die Dorfgrenzen bekannte Baubeerschmarrn, der eigentlich locker ein Hauptgericht ersetzt. Wirtshaus zum Griena, Dorfhaus 768, A-6290 Mayrhofen.
Schulhaus am Zellberg, Zellberg, Österreich
Das „Schulhaus am Zellberg“ im Nachbarort Zellberg setzt auf Tradition und verdient beste Zensuren. Der 26-jährige Koch Stefan Geisler steht mit Mama Barbara in der Küche, während seine Schwester Maria mit Vater Christian in der Stube serviert. Letzterer saß in seiner Kindheit sogar hier in der Schulbank, denn, wie der Name vermuten lässt, steht das Gasthaus auf dem Platz der ehemaligen Dorfschule. Passend zum Haus präsentiert sich die Speisekarte kreativ als Schulheft mit Tintenflecken und kleinen Kritzeleien am Rande. „Wer einen guten Braten macht, hat auch ein gutes Herz“, wird Wilhelm Busch am Heftrand zitiert und dem können wir nur zustimmen.
Die Geislers machen vorzügliche Braten und versprechen in ihrem „Menü Regional“, dass alle Grundprodukte aus einem Umkreis von 33 km stammen. Bei unserem Besuch kosten wir ein vorzügliches Topinambursüppchen mit Lammhaxl-Ravioli, dazu hausgemachtes Brot mit Biobutter und Graukasaufstrich. Als Hauptspeise gibt es ein zartes Zillertaler Vollmilchkalb mit Biokarotten und Erdäpfel-Griesknödel. Zum dahinschmelzen ist auch das Dessert: hauchfeine Apfel-Topfentarte mit hausgemachtem Sauerrahmeis und Quarknockerl. In Geislers Schulhaus ist es wahrlich ein Vergnügen, sitzen zu bleiben. Schulhaus am Zellberg, Dorfhaus 162, Zellberg, www.gasthof-schulhaus.at
Schulhaus am Zellberg, Fotos: Achim Kraus