von foodhunter
Kategorie: Esskultur

Insekten essen – „geschmacklose” Alternative

Insekten essen - „geschmacklose” Alternative

Hallelujah, die Rettung für künftige Lebensmittel-Verknappung naht. Insekten. Leider besitzen die Krabbeltiere keinerlei Fleisch oder eine Konsistenz, die dem Gaumen schmeichelt. Insekten sind klein, hart und im Grunde völlig geschmacksneutral.

 

Ein Schweizer Unternehmen hat zum Dinner geladen. Auf dem Speiseplan: Insekten. Grillen, Mehlwürmer, Heuschrecken. Insekten sind in der Schweiz bereits auf dem Vormarsch und werden bald auch unsere Teller schmücken. Es ist also an der Zeit, Appetit auf die kommende „Esskultur” zu machen.

Autorin Sabine Ruhland,
Fotos ©foodhunter

 

Scheu oder Ekel haben wir nicht als wir der ersten Heuschrecken ansichtig werden, die frisch geröstet aus dem Ofen kommen. Wir sind vielmehr gespannt, ob es tatsächlich dieser angebliche Geschmack von Haselnuss sein wird, den sie unserem Gaumen bescheren werden.

 

Christian Bärtsch und sein Lieblingssnack: Heuschrecken, frisch geröstet aus dem Ofen

 

Auch die Grillen und Mehlwürmer, schön geröstet, erregen keinen Widerwillen. Schon gar nicht angesichts des Catering-Teams Pfefferbeere, das für die Gerichte verantwortlich zeichnet und für das Publikum die Insekten kunstvoll verpackt und drapiert.

 

Bei der Optik liegt die Messlatte hoch, um Insekten als neues Lebensmittel gekonnt in Szene zu setzen.

 

Da werden Grillen zusammen mit einem Erbsen-Minze-Mousse in hauchdünn geschnittene Kohlrabi-Ravioli gesteckt und in Begleitung eines knallroten Beeren-Coulis spektakulär auf waberndem Trockeneis serviert, verwandeln sich Mehlwürmer in essbare Erde, drehen sich Heuschrecken am Spieß und verstecken sich Mehlwürmer im abschließenden Schokoladen Cranache. Bei der Optik liegt die Messlatte hoch, um Insekten als neues Lebensmittel gekonnt in Szene zu setzen.

Auch das Kochbuch von Christian Bärtsch “grillen, heuschrecken & co” zeigt sich modern, mit der angesagt anregenden Foodfotografie und scheinbar alltagstauglichen Rezepten à la Gazpacho mit Basilikumgrillen, Heuschrecken in Bierteig oder Kokos-Grillen-Gemüsepfanne.

 

Insekten besitzen keinerlei Fleisch oder eine Konsistenz, die dem Gaumen schmeichelt. Die Dinger sind klein, hart und im Grunde völlig geschmacksneutral.

 

Weder bei uns noch bei unseren Tischnachbarn kommt Freude auf. Die Mehlwurmsuppe präsentiert sich als ein eher schlammfarbenes Wasser – eine Assoziation, derer wir uns auch im Mund nicht erwehren können. Aus Mehlwürmern ist anscheinend geschmacklich nicht mehr rauszuholen. Die beigefügte Mehlwurm-Erde ist ein staubiges Gebrösel, das nur in Kombination mit den Balsamico Perlen und der Brunnenkresse genießbar ist.

Die Kohlrabi-Ravioli sind erfrischend und gut, aber das wären sie auch ohne die Grille im Inneren gewesen. Die Heuschrecken am Spieß sind trotz einer intensiven Marinade einfach nur hart,– es ist ja nichts dran an diesem “sechsbeinigen Geflügel”.

Auch die Kür der Schweizer: Schokoladen-Canache und Krokant-Glacé hätten unserem Gaumen ohne die üppige Larven-Zugabe weitaus mehr geschmeichelt.

 

Kurzum – ohne großes, aromenreiches Tamtam drumherum geht es nicht und selbst dann bleibt ein ganz großes Fragezeichen bezüglich Geschmack.

 

Karin Haase und Gallus Knechtle von Pfefferbeere. Zaubern können sie allerdings nicht. Der Grundgeschmack von Grille & Co geht gegen Null.
Wo kein Geschmack, da muss ein großer Auftritt her.

 

Klingt nach Kritik? Das soll es sein – vor allem uns Verbrauchern gegenüber.

 

Wir müssen aufhören zu glauben, es würde immer einen adäquaten Ersatz für verschwendete Ressourcen geben. Warum krampfhaft nach neuen Nahrungsmitteln suchen,  uns mit Astronauten-Food und Insekten auseinandersetzen statt mit Bedacht und in Maßen all die wunderbaren Produkte zu hegen, die unsere Gaumen verwöhnen?

Warum kämpfen wir nicht noch mehr für artgerechte Tierhaltung und legen im Sommer lieber ein Stück weniger Fleisch auf den Grill, dafür ein gutes? Warum muss in jedem Discounter alles vorhanden sein und das auch noch zum kleinst möglichen Preis?

 

Ja, wir wissen, dass rund 2,5 Milliarden Menschen bereits Insekten essen. Die meisten allerdings, weil es für sie nichts anderes gibt. Wir wissen auch, dass die kleinen Viecher in der Zucht wenig anspruchsvoll sind und reich an Eiweiß und dass wir Alternativen für unsere Verschwendung brauchen.

 

Im Grunde aber wünschen wir uns mehr gesunden Menschenverstand und mehr Sinn machende Reglementierungen seitens der Politik, denn deren Konzern-, Pharma- und Verbandshörigkeit raubt verantwortungsvollen Genießern den Schlaf. – Gleiches wünschen wir uns von Verbrauchern, denn “billig” war noch nie eine gute Alternative.

 

 

Mehlwürmer gegrillt – schenken in der Tat nur einen leicht mehligen Geschmack.
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