40 Jahre Tantris, 20 Jahre Hans Haas. Fast schon eine Ehe. Nur haben die beiden niemals gestritten, der Sternekoch und sein Chef, der Fritz Eichbauer. Warum auch? Das Restaurant gehöre zu den Keimzellen der guten Küche in Deutschland, bestätigt der Guide Michelin regelmäßig, Hans Haas seit zwei Jahrzehnten nicht davon wegzudenken.
Interview Sabine Ruhland, Fotos ©foodhunter
Wir haben den dauerhaft guten 2-Sterne-Koch getroffen, an einem nebligen Samstagnachmittag, das Trantris um 16 Uhr noch voll. Doch die Gäste fühlen sich wohl, genießen das samstägliche Mittags-Special – geniale Idee, um neue Feinschmecker zu gewinnen. Über hundert Menüs sind schon raus, dabei ist der Tag noch nicht zu Ende. Hans Haas dennoch entspannt.
Das Mittagsmenü ist handschriftlich. Ein ziemlicher Luxus.
Ja, gehört dazu. Die Menüs schreibe ich selbst. Nicht nur für die Mittagskarte, auch für Events oder Gesellschaften, die bei uns stattfinden.
Mittags und abends wechselt die Karte. Täglich. Verrückt in der heutigen Zeit, oder?
Wir machen uns viel Arbeit für den Gast. Das weiß er. Das schätzt er. Natürlich ist das logistisch eine enorme Herausforderung. Aber der Erfolg gibt uns recht.
Ihre Küche wurde mal als die „am besten stehengebliebene Küche“ beschrieben. Etwas unsinnig, diese Kritik.
Stimmt.
Dennoch sind Sie Ihrer Linie treu geblieben…
Stimmt auch. Ich war und bin der Meinung, dass in der Einfachheit die größte Schwierigkeit liegt. Jedes Gericht bei mir fokussiert sich auf ein Produkt, das aber kreativ interpretiert wird.
Wie die „verkohlte Sardine“, die Sie Ferran Adrià bei seinem München-Besuch serviert haben?
Zum Beispiel. Ferran war von einem Unternehmen als Redner eingeladen worden und die Verantwortlichen baten mich, das Catering zu übernehmen. Dem Gast zuliebe sollte ich zwei, drei molekular geprägte Gänge einflechten. Das habe ich abgelehnt. Stattdessen habe ich klare Produkte auf ungewöhnliche Art serviert.
Ferran Adrià war begeistert?
War er.
Ihre Bodenständigkeit begründet sich in Ihren Wurzeln?
Sicher. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Tirol, von Natur, Landwirtschaft und Tieren umgeben. Das prägt und gibt ein gesundes Verständnis für gute Produkte und das Kochen.
War, wie bei vielen Köchen, die Mutter das Maß aller Dinge in der Küche?
Meine Mutter hat einfach, aber gut gekocht. Ihre Bohnen waren unübertroffen. Mit Speck und Zwiebeln und darüber Semmelbrösel. Das vergesse ich mein Leben nicht. Auch ihre Graukäskrapfen habe ich geliebt. – Wissen Sie, teuer muss nicht sein. Wichtig ist, dass etwas mit Herz und Liebe zubereitet ist. Aber zum Beruf des Kochs hat mich eine andere Erfahrung gebracht.
Haben wir gelesen. Mit 12 Jahren Aushilfe in einem Wirtshaus. Niedrige Arbeiten verrichten. Salat putzen, Kartoffel schälen. Schwer vorstellbar, dass das einen 12-Jährigen motiviert, Koch zu werden?
(lacht) Trotzdem hat mich der ganze Ablauf in der Küche fasziniert. Als ich eines Tages alleine für den Reis verantwortlich war, war das für mich eine ziemliche Verantwortung, die ich perfekt meistern wollte. – Außerdem fängt Kochen nun mal unten an. Mit den einfachsten Aufgaben. Das gehört dazu. Ein Koch, der sich dafür zu schade ist, ist in der Küche fehl am Platz.
Ist der Reis damals etwas geworden?
Perfekt. Dieser Perfektionismus treibt mich bis heute. Ich hatte auch früh den Ehrgeiz, weitaus mehr als Schweinsbraten oder Bachforelle zu kochen. Mir geriet als Kind ein Kochbuch in die Hände. Fische, von denen ich nie gehört hatte. Gerichte, so fein, die ich auch unbedingt kochen wollte.
Was hieß das für den Tiroler Buben – weg von daheim?
In der Tat.
Ihre Eltern waren sicher nicht erfreut?
Wissen Sie, meine Eltern sind einfache Leute, aber der Satz, den sie mir damals zum Abschied gesagt haben hat mein ganzes Leben geprägt: Hansi, wenn du meinst, es ist gut für dich, dann mach es.
Das heißt, Bauchgefühl ist wichtig?
Ich entscheide alles aus dem Bauch.
Sich jeden Tag aufs Neue beweisen – nie müde geworden?
Nein. Der Wunsch, das Beste zu geben, treibt mich an. Ich lasse auch in der Küche nichts durchgehen, sehe alles. Das wissen meine Mitarbeiter. Wenn etwas nicht klappt, gibt es eine gehörige Ansage.
Zur perfekten Küche gehören nicht nur ein gutes Team, sondern auch qualitativ hochwertige Produkte.
Das ist heute eine Kunst, ein gutes Produkt zu finden. Ich arbeite seit Anbeginn mit einigen Lieferanten zusammen. Gänse aus Niederbayern, Saibling und Räucheraal aus Landsberg am Lech, Lamm vom Riederer. Hersteller und Koch müssen sich gegenseitig befruchten, motivieren.
Was glauben Sie, zeichnet Sie am meisten aus?
Kochen können viele, aber jeden Tag über viele Jahre eine dauerhaft hohe Leistung zu liefern, das zählt auch.
Nie angespannt, wenn hohe Persönlichkeiten im Tantris essen?
Mein Prinzip ist, für jeden Gast gleich zu kochen. Wir geben in der Küche immer hundert Prozent. Mehr geht nicht. Ich glaube auch, dass vielen VIPs gerade das gefällt. Sie werden bei uns normal behandelt.
Wer kocht bei Ihnen zu Hause?
Meine Frau. Sie kocht sehr gut.
Gehen Sie gerne essen?
Ich habe nicht viel Zeit dazu. Das Tantris ist sonntags und montags zu, aber viele andere Lokale eben auch.
Aber wenn, was essen Sie dann gerne?
Ich esse alles gerne, wichtig ist mir, dass ich weiß, wo ich esse. Gut muss es sein.
40 Jahre Tantris. Was sich Gründer und Visionär Fritz Eichbauer da geleistet hat, ist so einmalig wie wegweisend.
Fritz Eichbauer hat mit diesem Restaurant tatsächlich etwas realisiert, das sonst niemand gewagt hätte. Schon gar nicht zur damaligen Zeit. Im Grunde hat er München mit seiner Leidenschaft und auch mit seiner Bereitschaft zur Investition gastronomisch nach oben katapultiert. 1971 mit Eckart Witzigmann als Küchenchef begann eine neue Epoche in der deutschen Gastronomie.
20 Jahre sind nun auch Sie mit dem Tantris und der Familie Eichbauer verbandelt. Was zeichnet diese Partnerschaft aus?
Nein. Fritz Eichbauer und ich haben nie viel gesprochen, wir haben einfach gemacht. Meine Verbindung zur Familie ist schlichtweg genial und es werden mir alle Möglichkeiten geboten, meinen Küchenstil zu verwirklichen. Alles läuft gut. Die Gäste lieben das Lokal – viele seit über zwanzig Jahren. Das ist doch der beste Beweis dafür, dass wir hier alles einiges machen.
Dem können wir uns nur anschließen. Lieber Hans Haas, vielen Dank für das Interview.