von foodhunter
Kategorie: Regional & Delikat

Lirum, Larum, Garum

Lirum, Larum, Garum

Garum ist so etwas wie der Zaubertrank von Miraculix für die feine Küche und wird gerade von der Spitzengastronomie wie dem Otto Restaurant Berlin in Eigenproduktion wiederentdeckt. Die beim Reifen der Fischsauce entstandenen Geschmacksverstärker geben jedem Gericht mehr Charakter, ohne dass es fischig schmeckt.

Autor Oliver Zelt, Foto oben ©Otto Restaurant

 

Der Fisch stinkt nicht am Kopf. Obwohl der samt Maul und Barten im Glas ist. Fein zerschnitten, wie auch Gräten, Flossen und Fischstückche, alles vom Saibling. Der Reste-Mix mit ordentlich viel Salz lagert schon mehrere Wochen bei über 40 Grad in einem umgebauten Kühlschrank, der jetzt als Reifekammer dient.

Das Fischgebräu riecht gar nicht beißend, wie zu erwarten, wenn Fisch wochenlang vor sich hin modert. Das Geheimnis, statt der Innereien, wie Leber, Herz und Darm, die normalerweise mit ihren Enzymen den Fisch fermentieren, macht der Schimmelpilz Koji, auch wissenschaftlich Aspergyllus Oryzae genannt, den Job der Eingeweide.

 

Die Fischsauce riecht dezent und schmeckt wuchtig würzig

 

Vadim Otto Ursus, Chef im Berliner Restaurant „Otto“, setzt sein Saiblings-Garum auch jetzt an, obwohl im Moment das Lokal geschlossen ist. Es gibt begeisterte Abnehmer im Onlineshop. Der Koch träufelt die Sauce auf einen ganzen gebratenen Saibling, mit Wildkräutern bedeckt. Garum ist auch ideal für Salatsaucen, Marinaden oder Suppen.

 

Garum begann seine kulinarische Karriere vor mehr als 2500 Jahren in Karthago, wo übriggebliebene, kleingeschnittene Thunfische, Makrelen oder Sardinen samt Innereien monatelang unter freiem Himmel fermentierten und so unter einer Haube ein großartiger Küchennektar entstand. Als die Römer Karthago plünderten, nahmen sie auch das Garum mit, das schon damals sortenrein von Makrele, Thunfisch oder Sardine hergestellt und als erste oder zweite Pressung verkauft wurde.

 

Koji nimmt dem heutigen Garum – manche nennen es auch Meeres-Maggi – den derben Duft. Es habe „so viel Umami wie bei der traditionellen Methode, aber einen weitaus angenehmeren Geruch”, sagt Rene Redzepi, Chef im legendären „Noma“ in Kopenhagen.

Durch den Schimmelpilz Koji erweitert sich der Markt der Möglichkeiten auf dem jetzt nicht nur Fisch im Angebot sind. Vadim Otto macht ein wunderbares Wildschwein-Garum. Was beim Parieren und Portionieren des Wildes abfällt landet im Fleischwolf. Zum Durchgedrehten gibt der Berliner Koch Salz, Wasser und Buchweizen-Koji. Ein salziger Saft mit „wunderbarer Tiefe“ den Ursus für Dressings oder zum Einpinseln vor dem Grillen etwa eines Karpfens nimmt. Manches in seiner Küche ist weder Fisch noch Fleisch. Aus rohem Eiweiß, Salz und Aspergyllus Oryzae fabriziert er ein vegetarisches Eiweiß-Garum, dass am Ende wie Soja-Sauce aussieht und im „Otto“ gereichte Soleier salzt.

 

Oliver Lange, ZUMA, verarbeitet Koji schon seit geraumer Zeit und nutzt es im Sushireis und auch als Fleischzartmacher.

 

Auch andere Köche hierzulande gehen auf Fischfang. Marco Müller aus Berlin lässt in einem großen Weckglas zu einem rot-braunem matschigen Brei bis zu drei Jahren reifen. Ein vorzügliches Garum von der Nordsee-Makrele, das er in seinem Lokal „Rutz“ zum Würzen nimmt. Ebenfalls beim innovativen Experimentieren dabei ist Felix Schneider. Der Chef des mit 2 Sternen dekorierten Nürnberger „Sosein“ setzt auf ein Garum aus Flusskrebsen.

Ambitionierte Hobbyköche mit technischem Ambiente können es daheim selbst versuchen. Mit einem Hühner-Garum aus im Ofen gerösteten Flügeln (2 Kilo), Hühnerbrühe (1,5 Liter), Graupen-Koji (450 Gramm zu bestellen bei www.mimiferments.com) und Salz (480 Gramm). Die Mischung muss allerdings mindestens vier Wochen bei konstanten 60 Grad reifen. Wer das seiner Stromrechnung antun möchte, nimmt dazu einen Reisekocher im Dauerbetrieb.

Koji ist auch Bestandteil von Miso, www.schwarzwald-miso.de/ Sake und Sushireis.Alles in allem sind Garum und Koji Aspergyllus Oryzae ein Geschmacksturbo das viele Gerichte in den Umami-Himmel katapultiert und ihnen den “Je ne sais quoi” -Effekt verleiht.

 

Erhältlich bei BosFood in Meerbusch. Aspegyllus Oryzae in Pulverform erhältlich bei FoodConnect. https://foodconnect.de/

 

 

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