Wir stehen staunend im lichtüberfluteten Kochtempel von Martin Berasategui,, bestückt mit raumteilenden Säulen, aluglänzenden Theken und Kochmodulen. 30 weißgeschürzte Köche bearbeiten Produkte, hantieren mit Töpfen, Tiegeln, Pfannen, heben wunderliche transparente buntflüssige, gefüllte Kügelchen aus dem molekularen Tauchbad, füllen Phiolen und platzieren sie auf perfekt angerichteten Teller. Wir sind im Reich von Martin Berasategui, 7-Sterne-Koch aus San Sebastián.
Interview und Fotos Rudolf Danner
In einer deutschen Publikation, getitelt „Krieg der Sterneköche“ war zu lesen, dass der inzwischen verstorbene Santi Santamaria seinem Kollegen Ferran Adriá einst den Vorwurf machte “die chemischen Elemente seiner Küche gefährdeten die Volksgesundheit“. Sie aber nutzen diese Technik völlig unbeschwert.
Es gibt ständig Innovationen in der Küche, bei denen es letztlich darum geht, Ansätze herauszufinden, die den Beruf des Kochs wiederbeleben. Deshalb amüsiert mich die Diskussion um molekulare Küche. Es ist auch molekular, ein Brot zu backen. – Ich nutze einfach alle sich mir bietenden Möglichkeiten und Techniken, um Gäste, die aus aller Welt in meine Restaurants kommen, zu erstaunen. Innovation ist die tägliche Herausforderung der Köche.
Dennoch leiten Sie Ihre Menükarte mit dem Satz ein „Die Natur ist weise. Man muss nur auf sie hören“.
Kochen fängt mit guten Produkten an. Die Bauern, Pilzsammler, Viehzüchter sind Teil unseres Teams. Ohne sie könnten wir nicht arbeiten. Die Intelligenz der Natur ist wichtig und wir müssen die jungen Leute anhalten, die Zutaten wertzuschätzen.
Kein Widerspruch zwischen avantgardistischer und traditioneller Küche?
Nein. Es muss der Welt klar sein, dass die Gerichte die man jetzt als traditionelle Küche versteht, einst moderne Gerichte waren.
Die spanische Küche war oft richtungsweisend, sehen Sie derzeit einen neuen Trend aufkommen?
Es ist weniger ein Trend: Die spanische Küche ist an einem Punkt von großer Regelmäßigkeit angekommen. Es gibt viele Köche und alle kochen anders und alle kochen mit Persönlichkeit und mit viel Aufrichtigkeit.
Anderorts entdeckt man die Mode zur „nature based cusine“ – wie Ameisen auf einem Crème fraîche Spiegel serviert.
Nun, ich stehe für das Land, in dem ich aufgewachsen bin. Hier gibt es beeindruckende Zutaten. Wir sind privilegiert. Worum es geht, ist, dass der Koch den Gast anregt. Das erreicht er nur, wenn er professionell ist und viel über das Kochen und die Produkte weiß. Ich respektiere, was andere machen. Über Insekten weiß ich nichts. Ich erfinde Gerichte, die meine Persönlichkeit tragen.
Apropos Persönlichkeit. Heute besitzen Sie weltweit Restaurants, alle firmieren unter Ihrem Namen. Viel Verantwortung, denn Sie können persönlich nicht überall sein.
Die verschiedenen Orte haben sich ergeben, weil ich so viele Schüler hatte. Wir nutzen die Möglichkeiten der Kommunikationstechnologie und organisieren die Ausbildungsreisen der Teammitglieder.
Sie sind inmitten von Marktleuten aufgewachsen. Ideal für einen Koch.
Ja, das Restaurant meiner Eltern war immer mein zweites Zuhause. Einfache, baskische Küche. Nur ein Kohleherd. Unsere Gäste waren Gemüsehändler, Bäcker und Fischer. Das war meine Schule. Mit 17 musste ich selbst an den Herd, mit 25 Jahren holte ich einen Michelin-Stern. Den ersten, den je ein Restaurant bekam, das im Untergeschoss liegt.
Finden Sie die Preise in der Sterne-Gastronomie angemessen?
Der Aufwand ist wesentlich höher. Das weiß ein Kenner zu schätzen. Wir haben viele junge Paare, die auf ein Essen bei uns gespart haben und auch Leute aus dem Ausland, die sich das besondere Gourmet-Erlebnis etwas kosten lassen. Dafür bieten wir einen Abend voller Überraschungen. Sterneküche ist nichts Alltägliches, sie ist etwas Besonderes.
Versuchen Sie eine nahe Beziehung zum Gast aufzubauen?
Man muss Gäste freundlich empfangen, die eine Anstrengung unternehmen, um in ein Restaurant wie dieses zu kommen. Ich sage immer: Ich bin genauso groß im Stehen wie meine Gäste im Sitzen. (Eine selbstironische Aussage bei einer geschätzten Körpergröße von 1.65 m, Anm. d. Red).
Kennen Sie deutsche Köche?
Ja, ich kenne viele. Eine engere Beziehung habe ich zu Joachim Wissler. Er war hier bei mir und danach waren wir in der Sociedad Gaztelubide, einem Männerkochclub, und auf den Märkten San Martín und La Brexta. Auch sein Restaurantleiter im Vendom ist sehr gut, er hat übrigens spanische Wurzeln.
Was planen Sie in der Zukunft?
Ich bin voll von Projekten. Für einige Menschen dient die Krise dazu, sich zu verstecken, für andere dazu, die Mühlen in Bewegung zu halten. Man darf sich nicht mit den Dingen abfinden, die einem gut gelingen. Man muss selbstkritisch sein und das, was am Vortag gut gelungen ist am nächsten Tag noch besser machen.
San Sebastián liegt mit 16 Michelin-Sternen als Gourmet-Metropole der Welt in aller Munde. Wie kommt es? Die Stadt ist winzig im Vergleich zu London oder Paris.
Die Ursache liegt wohl in der Liebe der Basken zum Essen, denn gutes Essen ist wie ein Löffel voll Glück.