Die deutsche Spitzengastronomie hat meist wenig Lust auf Gockelfleisch – wenn, dann steht französisches Huhn auf der Karte. Dabei gibt es großartiges Geflügel von einheimischen Höfen. Eine Hommage an das Huhn aus Deutschland!
Autor Oliver Zelt, Fotos ©Gut Wardow
Micha Schäfer ist auf Landpartie. Einmal im Monat verlässt er sein Restaurant Nobelhart & Schmutzig in Berlin-Kreuzberg und schaut was auf den Feldern der Bauern wächst und auf den Wiesen pickt und weidet. In Klein Gottschow im nördlichen Brandenburg hat er hervorragende Hühner entdeckt. Karin Schlegel lässt auf ihrem Prignitzer Landhof den Tieren alle Lust am Leben. Es gibt Gras soweit die Hühner laufen, Würmer und Insekten im Übermaß und reichlich Körner dazu. Schäfers Reise hat sich wieder einmal gelohnt.
Die Gäste im Sterne-Restaurant genießen den formidablen Broiler aus Brandenburg. Schäfer bringt ihn pur auf den Teller, ein Bruststück mit extra krosser Haut und puristischer Beilage. Etwa einem Klacks Petersiliencreme oder gegrilltem Lauch.
Geflügelzucht macht viel Arbeit und Mühe. Hier ist Frankreich führend. Da aufzuholen, wäre ein Ziel für Deutschland.
Ein Huhn steht nur selten auf den Speisekarten deutscher Spitzenlokale. Für die meisten Topköche gilt das Fleisch als fade und faserig, es fehle der kulinarische Kick. Leuchtende Augen bekommen sie höchstens, wenn ein Tier aus Frankreich, am besten aus der Bresse, auf ihrem Tisch liegt.
Spitzenkoch Nils Henkel weiß warum. „Geflügelzucht macht viel Arbeit und Mühe. Hier ist Frankreich führend.“ Ähnlich klingt es bei Christoph Rüffer, Chef im Hamburger „Haerlin”. Bei den Franzosen liefen die Hühner auf Wiesen mit Bäumen herum, weil sie sich gerne unter die Blätterdächer stellen würden. „Das wäre ein Ziel für Deutschland, da aufzuholen.“
Auch Joachim Wissler schwärmt von französischen Miral-Perlhühnern. meint, qualitativ hochwertiges Geflügel aus Deutschland sei eine „Problemzone für den Koch“. Aber Wissler ist auch Kochpatriot und hat auf dem Schönmoorer Biohof nahe Flensburg feine Freilandhühner gefunden, die in seine Ansprüche erfüllen.
In den Weiten Mecklenburg-Vorpommerns haben Hühner in französischem Couleur auf dem „Gut Wardow“ ihre Heimat. Schneeweißes Gefieder, blaue Beine und Füße sowie knallroter Kamm, „Le Bleus“, die Verwandten der legendären Bresse-Hühner. Auf den Guts-Wiesen findet sich nur das Beste für ein wundervolles Hühnerleben. Sand zum Scharren, Würmer und Käfer zum Picken, selbstgebaute kleine Ställe.
„Die Hennen legen Eier und die Hähne sind eine wahre Gaumenfreude,“ sagt Wolfgang Grimme, der mit seiner Frau Jutta von Kuick dem Geflügel nordöstlich von Güstrow eine Bio-Idylle bietet. Erst nach vier Monaten sind die Hähne reif zum Schlachten. Das Fleisch des ”Les Bleus” ist dunkler und der Geschmack besonders intensiv. Das Gute liegt so nah, Spitzenköche müssten sich nur einmal auf den Weg machen.