Königskrabbe, Kaviar, Hummer, Foie gras, Wagyu – bis heute assoziieren Feinschmecker mit Sterneküche extravagante Produkte. Wirtschaftlich wie nachhaltig betrachtet, kann das nicht die Zukunft sein. Wie Kohl, Aal, Steckrübe, und Schweinewedel die Teller der Spitzengastronomie erobern und ökonomisch wie kulinarisch überzeugen, zeigt Robert Rädel, Küchenchef im Restaurant „OBEN”.
Autor Sabine Ruhland, Fotos © foodhunter
Der „Sellerie aus dem Salz” wird auf einem hölzernen Servierwagen vom Küchenchef in die Mitte des Restaurants gefahren. „Liebe Gäste, das ist der Sellerie. So groß, dass er für alle reicht.”
Spricht es und köpft mit beherztem Schwung die gebräunte Salzkruste, entnimmt ihr den dampfenden Knollensellerie, der anderthalb Stunden im Ofen seine ganze Saftigkeit entfalten durfte, um ihn, in kleine Dreiecke geschnitten, mit Selleriesud, Quitte- und Selleriestückchen auf eigens von ihm gefertigten Teller zu drapieren.
Was einfach klingt, hinterlässt kulinarischen Nachhall, denn der Knollensellerie wird von Robert Rädel mit Schale serviert, was dem Wurzelgemüse in dieser Zubereitung eine pikante Note verleiht.
„Bei meinen Gerichten geht die Inszenierung der Speise vor den Augen des Gastes einher mit ihrer Entwicklung”, sagt Robert Rädel. Fertig angerichtete Teller verlassen nur selten seine Küche.
So beschert er seinen Gästen eine fast kindliche Freude, wenn er mit dem antiken Zimtwaffeleisen vom Flohmarkt am Tisch Buchweizenwaffeln bäckt, die im Anschluss mit Ziegenfrischkäse und süßsauer eingelegten Rosenblättern belegt werden.
Wenn er mit heißem, leicht gezuckertem und gesalzenem Wasser die selbst gepflückten Kräuter in einer gläsernen Kanne aufgießt, um sie als Kräuterinfusion über den Bachsaibling zu geben oder als Hommage an René Redzepi das „Ei D I Y” serviert, bei dem die Gäste Gewürzbutter und ein kleines Ei nach eigenem Gusto im vorgeheizten Emailtöpfchen zubereiten können.
Dass jeder Tisch eine Einladung erhält, 1-2 Gänge in der Küche zu genießen, gehört ebenfalls zur Inszenierung. Die Gäste nehmen es mit größter Freude an.
„Wenn Sie möchten, können Sie jetzt gerne mit in die Küche”, lockt uns die charmante Gastgeberin und Serviceleiterin Anna Kaufmann. Das lässt sich kein Gast zweimal sagen. Am rustikalen Hochtisch, zwischen Kerzen und gedämpftem Licht beobachten wir das Geschehen. Robert Rädel und Sous-Chefin Mona Schmid, die ihre Ausbildung zur Köchin im Hotel Bareiss in Baiersbronn absolvierte, sind ein eingespieltes Team, arbeiten ruhig und konzentriert. Keine Hektik, kein Stress.
„Ich brauche ein harmonisches Umfeld,” sagt Rädel und öffnet die Tür, um nach dem Rauchofen zu sehen. „Außerdem sind wir bestens vorbereitet. Kommen Sie.” Ein Blick in die Vorratskammer ist jedem Gast gestattet. Miral-Enten, die noch abhängen dürfen, eine Bataillon an Gläsern. Eingelegte Kiefernzapfen, Birnen aus 2018, winterlich eingelegt, unreife Johannisbeeren, Kapuzinerfrüchte ….
Hier wird sie spürbar, die intensive Liebe zur Regionalität, der Natur, den Jahreszeiten. „Die Karte ändern wir grundsätzlich viermal im Jahr, je nach Jahreszeit.”
Bietet das Restaurant OBEN mehr Show als Genuss? Keinesfalls.
Doch klassische Sterneesser müssen sich einlassen auf diese bodenständig-regionale Küche, die mit kreativer Wucht auf die Teller kommt, müssen Freude daran haben, Kohlkonsistenzen zu erschmecken, die nur selten am heimischen Herd in solcher Feinheit zu erschaffen sind, müssen Mut haben, das Schwein nicht nur als Bäckchen oder Nierenstück zu verspeisen, sondern dem Schweinewedel eine Chance zu geben, der bei Rädel eine stundenlange Prozedur aus pökeln, dämpfen und braten erfährt, um dann mit einer Art Apfel-Schnittlauch-Chutney als erfrischender Crunch-Snack serviert zu werden, müssen erkennen, wie aufwendig zur Ente das hochintensive Kornelkirschen-Püree und das Steckrüben-Mousse gefertigt sind.
Obwohl der Herbst längst nicht mehr zu ihrer Hochsaison gehört, hat Robert Rädel noch wunderbare Tomaten bekommen, „die Letzten in diesem Jahr”, sagt er und serviert uns Ochsenherztomaten, garniert mit einem spektakulären Tomatensorbet, für das er als Basis einen fein angemachten Tomatensalat verwendet.
4 Stunden kulinarisches Unterhaltungsprogramm auf hohem Niveau – das Restaurant OBEN ist auf Monate ausgebucht
Wer sich durch den Reservierungskalender des Restaurants OBEN klickt, wird frühestens ab April 2021 fündig. „Wir hätten nie gedacht, derart überrollt zu werden nach dem Lock down. Aber in der Tat wollen die Genießer seit Corona das Besondere und sind bereit, einige Monate auf einen freien Platz zu warten”, sagt Robert Rädel, der nicht nur angesichts der Anfrage locker einige Tische mehr unterbringen könnte. Doch 10-15 Gäste zu bekochen, reiche ihm. Dann bliebe auch mehr Zeit, sich mit den einzelnen Gästen zu unterhalten. So vergeht ein 4-stündiger Abend wie im Fluge – mit vielen Eindrücken für Seele und Gaumen und dem innigen Wunsch zur nächsten Jahreszeit wieder zu kommen.
Restaurant OBEN
Chefkoch Robert Rädel
Kohlhof 5
69117 Heidelberg
Mi-Sa ab 18.30 Uhr
www.restaurant-oben.de