Die Spitzenköche auf Sylt sind sauer. Auf der Promi-Insel hat sich der Trend breitgemacht, für einen Abend bei mehreren Sternerestaurants zu reservieren und sich dann spontan zu entscheiden, welches Restaurant es sein soll. – Meist ohne den anderen abzusagen.
Deswegen machen einige Top-Restaurants gemeinsame Sache: mit Aufwandsentschädigung. Stornogebühr im Restaurant – ja oder nein?
Autor Oliver Zelt,
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Bei Zwei-Sternekoch Johannes King im Söl’ring Hof finden die Gäste ab sofort eine „Stornierungsinformation“, wenn sie online ihren Abend im Rantumer Restaurant buchen. Es sei bitte per Telefon oder E-Mail abzusagen, wenn es nicht klappt, heißt es. Wenn aber weniger als 24 Stunden vor dem Essen ein Rückzieher kommt, sind 25 Euro pro Person fällig, falls der Wirt die Plätze nicht weiter vergeben kann. Sollte der Esser gar so „vergesslich“ sein und überhaupt nicht erscheinen, entstehe eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro.
Was längst Usus bei Hotels ist, zeigt sich bei Restaurants immer noch als Aufreger. Dabei geht es hier um exzellente Lebensmittel, um frische Ware und um ein kurzes Zeitfenster der Top-Qualität.
Gordon Debus, Chef im A-Rosa zum dem das „La Mer“ gehört, freut sich über einsichtige Gäste. Nur zweimal habe er aufgebrachten Gourmets das „warum“ erklärt. „Das führte zu Verständnis und Einsicht“, sagt Debus. Es gehe ja darum, nicht umsonst in der Küche zu stehen. „Wirtschaftlich schmerzt jeder freie Tisch ungemein“, so Debus. Wie oft hat das A-Rosa im vergangenen Sommer Stornogebühr erhoben? „Kein einziges Mal. Offenbar reicht eine Androhung.“
Nichterscheinen bleibt ohne Konsequenz. Die Spitzengastronomen sind sich einig, das geht nicht.
Feinschmecker benehmen sich gelegentlich ziemlich unfein und das ist nicht nur ein Problem der Spitzenküche auf Sylt. Weltweit sprechen die Top-Chefs von einer „No Show“. Vergraulen die Köche mit zu viel Strenge ihre Gäste? Oder müssen sie gerade den „Spaßbuchern“ die neue Unkultur mit deren eigenem Portemonnaie austreiben?
Es kommt selten vor, dass Menschen spontan in ein Sterne-Restaurant gehen. Deshalb sind die leeren Tische kaum am selben Abend neu zu füllen. Trotzdem schrecken viele vor Stornogebühren zurück. Nicht so Thomas Bühner. In seinem 3-Sterne-Restaurant „La Vie“ in Osnabrück bezahlt jeder der nicht kommt 100 Euro. „Es ist keine Aktion von uns, sondern die notwendig gewordene Reaktion auf das Verhalten der Gäste“, sagt der Maitre. Wer später erneut reserviert und auch kommt, dem verrechnet Bühner die Ausfallgebühr des geplatzten vorherigen Abends.
Belgische Spitzenköche fanden sich schon vor Jahren zusammen und setzten permanente Schwarzbucher auf eine Liste.
Das Netzwerk gegen „Nichtkommer“ verlangt beim Buchen die Kreditkartenummer. In den meisten Gourmettempel der USA und in Großbritannien ist das sowieso üblich. Wer nicht erscheint zahlt eine Gebühr, meist 150 Euro pro Person.
In Österreich diskutieren die Spitzenköche seit langem, wie mit jenen Gästen umzugehen sei, die zwar buchen aber nicht erscheinen. Karl Wratschko, Fachgruppen-Obmann der Sparte Gastronomie in der Wirtschaftskammer Steiermark, hat die Antwort darauf noch nicht gefunden. Ob bei der Reservierung bereits Daten anzugeben seien oder bei Krankheit ein Attest vom Arzt fällig sei, darüber müsse man erst noch reden.
Im Palais Coburg in Wien mag Zwei-Sternekoch Silvio Nickol keine Gebühr erheben, obwohl er weiß, dass es eine große Diskussion ist. „Gerade bei Restaurants mit wenigen Tischen ist ein rechtzeitiges Absagen wichtig, damit andere Gäste, die auf der Warteliste stehen, eine Chance haben.“
Heinz Reitbauer hingegen hat die Faxen satt. In seinem Wiener „Steirereck“ hat er eine Stornogebühr eingeführt, als erster Spitzenkoch Österreichs. Reitbauer lässt bei jeder Reservierung klar machen, wer einen Tag vorher nicht absagt, der zahlt 150 Euro.
Offenbar sind die Sylter mit ihren Stornoforderungen nicht zu weit vorgeprescht und haben mit ihrem gemeinsamen Weg auch anderen Köchen Mut gemacht, dem wirtschaftlich wie gesellschaftlich untragbaren Gästeverhalten einen Riegel vorzuschieben.