Die Aussicht ist atemberaubend. Auf 1.500 Metern Höhe wiegt sich das Korn im Wind, als ob es den majestätischen Bergspitzen gegenüber einen Tanz schenkte. Magische Stille, der Duft von Heu, leises Gebimmel einer unsichtbaren Kuh-Herde. Brotklee wollte uns Bäcker Andreas Pilser zeigen, der unbedingt hineingehört in das Ur-Paarl (Vinschgerl).
Autor Sabine Ruhland, Fotos Foodhunter
Hier finden wir ihn, versteckt hinter dem strotzenden Kornfeld. Blitzblau die Blüten, nein, mit Bockhornklee hat dieser hier nichts gemeinsam. Die Bäuerin kommt vorbei, drei Söhne hat sie, alle helfen bei der Ernte. Nette Jungs, zurückhaltend. Das Korn, heute ist ein perfekter Tag, soll geerntet werden. Die rote Mähmaschine wälzt sich schon heran wie ein Hummer auf einer Sandbank. Hinterm Hof ein Garten, ein scheinbares Durcheinander in unermesslicher Farbenvielfalt. ‚Moment, ich habe etwas für Sie’. Die Bäuerin verschwindet, kommt mit einem trockenen Gestrüpp zurück. Kümmel. „Selbst angebaut“, sagt sie. Der Biss auf eines dieser Körner genügt. Der beste Kümmel, den wir je gekostet haben. Speck gibt sie uns noch mit. Dann muss sie aufs Feld, den Söhnen helfen.
Andreas Pilser fährt mit uns weiter, zu einer tief im Wald versteckten Mühle. Brot, Speck und eine Flasche Zweigelt holt er aus dem Kofferraum. Das Mittagessen im Lokal unten im Dorf sagen wir ab, sitzen lieber auf der steinernen Bank neben der Mühle, die Andreas Pilser mit viel Handarbeit und finanziellem Einsatz aus dem Ruinenschlaf geweckt hat. Heute führt er manchmal Schulklassen herauf. „Die sollen lernen, wie das alles einmal war.“ Neben uns rauscht ein Flüsschen vorbei, kaum fünf cm tief, aber mit der Wildheit und dem Grollen eines echten Gebirgsbaches.
Hier über das Glück zu philosophieren ist einfach. „Naja“, sagt Andreas Pilser, „wir sind hier in der Tat mit allem gesegnet, was die Natur zu bieten hat. Sträflich sind wir damit umgegangen und es wird Zeit, das wieder zu ändern. „Wenn ich genug Getreide aus dem Vinschgau bekäme, würde ich für das gesamte Paarl-Brot Vinschger Roggen verwenden“, sagt er. Die Initiativen Regiokorn Südtirol und Kornkammer, die sich zum Ziel gesetzt haben den Getreideanbau zu fördern, Bäckereien und Mühlen zu verbinden und auf alte Traditionen zu setzen sind dafür der beste Weg.