Die heutigen Auerochsen sind wissenschaftlich korrekt Heckrinder, Nachzüchtungen nach dem Vorbild einer ausgerotteten Art. Früher in Asien und in Europa weit verbreitet, starb das letzte Exemplar des Auerochsen 1627. In verschiedenen Regionen wie dem Biosphärenreservat Elbtalaue oder im Bayerischen Wald entdecken Züchter die Qualität der Tiere und des Fleisches. Helmut Schmutzer in Kronwinkel ist einer von ihnen und Helmut Paster vom Hotel Hüttenhof ein Aficionado und einer seiner Unterstützer.
Autorin Sabine Ruhland, Fotos ©foodhunter
Wenn Konrad, der „Weltmeister der Schützen” aufs Gelände kommt, bekommt Helmut Schmutzer Herzrasen. „Es ist das Warten. Die Minuten zwischen dem Eintreffen des Schützen bis zum Schuss. Ich kenne das Tier seit seiner Geburt und es wäre gelogen wenn ich sagen würde, sein Tod mache mir nichts aus.”
Rund 80 Meter entfernt, im Schutz der Bäume, schlagen Helmut Schmutzer und der Schütze ihr Lager auf. Dann heißt es Ruhe bewahren und abwarten. Manchmal nur wenige Sekunden, manchmal viele Minuten, manchmal eine halbe Stunde. Der Unterschied zwischen Jäger und Schütze? „Der Schütze wartet und der Schuss geht einzig mitten in die Stirn. Das Tier ist tot, bevor es zu Boden geht. Dafür werden lange, dünne doch sehr effektive Patronen verwendet. Das Einschussloch ist so klein wie der Durchmesser eines kleinen Fingers, doch im Gehirn ist sofort alles vorbei.”
So auch heute. Nach 1o Minuten ist der Schuss gefallen und Stier Akir liegt auf der Wiese. Seine Kollegen haben eine schnelle, kurze Flucht angetreten, warten am anderen Ende der Weide. Dann geht alles sehr schnell. In weniger als drei Minuten hat Helmut Schmutzer mit seinem Traktor Akir angehoben, von der Weide gebracht und rasch ward der Stich zum Ausbluten getan. Ruhe kehrt auf der Weide ein, die Auerochsen grasen weiter. Für Akir geht es zum Metzger. Der schlachtet auch selbst mit Bolzenschuss. Wenn einer der Schmutzer-Auerochsen kommt, ist er immer wieder verblüfft.
„Man muss es ehrlich sagen: die Tiere wissen, was passiert, wenn wir den Bolzen ansetzen, die Pupillen sind weit und angstvoll. Bei den Auerochsen, geschossen auf der Weide, sind die Augen blind, die Pupillen klein. Das Tier hat absolut nichts mitbekommen, kein Stress.”
„Ich brauche keinen Tierarzt, die Tiere sind das ganze Jahr draußen und bekommen nur Gras und Heu von unseren eigenen Grünflächen zu fressen.”
Dass Helmut Schmutzer seine Tier wertschätzt, wird mit jeder Silbe deutlich. Denn damit verbunden ist auch die Pflege der Wiesen „Wir mähen unsere Wiesen mit einem Doppelmessermähwerk. Das schneidet das Gras, tötet aber nicht die Insekten. Diese sterben bei den Rundmessern, die sie beim Abschneiden des Grases durch die Luft wirbeln.”
Gourmet-Wissen: Was ist extensive Grünlandnutzung?
„Extensiv genutzte Grünlandflächen sind die artenreichsten Lebensräumen, denn sie sind Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten. Ziel ist es, diese Grünlandflächen mit hohem Naturschutzpotenzial zu erhalten und zu fördern, weshalb wir für unsere so genutzten Wiesen Zuschüsse bekommen”, zitiert Helmut Schmutzer die Richtlinien.
Durch blütenreiche Extensiv-Grünlandflächen wird zusätzlich das Landschaftsbild in besonderer Weise bereichert, heißt es zudem in den Bestimmungen, die klingen als würden Aliens über die Natur ein Urteil fällen.
Was 2008 mit viel Leidenschaft begann, macht sich inzwischen für Bettina und Helmut Schmutzer langsam bezahlt. Neben den Fördergeldern für die Wiesen schlachten sie 5-8 Tiere pro Jahr, umgerechnet ca. 800 Kilo Fleisch plus Fell und Hörner. „Verwertet wird das ganze Tier. Wenn wir eines schlachten, versenden wir eine Mail an unsere Kunden im Umkreis von 20 Kilometern. Meist dauert es keine drei Tage und alles ist verkauft.”
Filet, Lende aber auch Tafelspitz, Gulasch, Braten, Suppenfleisch, und verschiedene Wurstwaren wie Salami oder Rindswürste. Diese stellt die Metzgerei Brodinger aus Freyung für Schmutzer her. Und der Geschmack? „Das Fleisch der Auerochsen ist dunkelrot, fein marmoriert, kurzfaserig. Es hat einen intensiven Eigengeschmack, der in Richtung Wild geht und trotzdem frisch-würzig schmeckt, weil die Tiere verschiedene Gräser und Kräuter fressen. Zudem hat das Fleisch weniger Fett, ist cholesterinarm, reich an Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren.”
Verbraucher haben mittlerweile dazugelernt und werden zu Kennern. Was früher nur ein Naserümpfen hervorrief, gehört heute zu den begehrten Teilen, darunter Zwerchfell, Nierenzapfen, Flank oder Innereien. – An die Gastronomie verkauft Helmut Schmutzer wenig „Da ist der Preisdruck einfach zu groß, denn wir müssen um die 17-20 Euro fürs Kilo verlangen. Gastronomiekunden wie Helmut Paster vom Hotel Hüttenhof, die unsere Qualität schätzen und den damit verbundenen Preis anerkennen, sind eher selten.”
Kronwinkel 6
94143 Grainet