Brügge, im Sommer ein Touristenmagnet, das Schicksal mit Venedig teilend: Tausende von Touristen, die durch die Gassen strömen, für Grachtenfahrten Schlange stehen und die Schokoladengeschäfte stürmen. Der Ansturm ist verständlich angesichts einer Stadtkulisse, die einem Harry Potter Film entsprungen zu sein scheint. Türme, die sich hinter schmalen Häusern in den Himmel recken, dunkle Wasser, die unter steinernen Brücken gurgelnd von einem gefräßigen Schlund aufgesogen werden, das Geklapper der Pferdehufe auf dem Kopfsteinpflaster, wenn Droschken durch die Gassen holpern.
Text und Fotos Sabine Ruhland
Ab November ist Brügge weit weniger besucht, ein Dorado für Romantiker und all jene, die im Licht von Kaminfeuer und Kerzen einer winterlichen Melancholie verfallen wollen. Seelenheil ist nicht fern, Brügge ist die Stadt der Chocolatiers und des Zeno, gelegen in einer Stadtvilla, die durch tiefe Fenster das Licht ihrer Kronleuchter wie Goldtaler auf die Straße wirft.
Die Dekoration so kunstvoll, dass kaum eine Gabel wirklich zustechen mag
Der Empfang herzlich. Das Essen von Anfang bis Ende eine Überraschung.Die Miesmuscheln liegen auf einem Bett kleiner Muschelschalen, baden in einer grünen Soße aus sieben Kräutern, wobei die Zitronenmelisse ihre Frische gekonnt in den Vordergrund rückt. – Die dritte umwerfende Vorspeise nach den hauchzarten Blätterteighütchen mit einer Creme aus Käse und Bier sowie einer Kürbissuppe, bedeckt von einem kühlen Buttermilchschaum, und damit dem Gaumen ein sinnliches Warm-kalt-Erlebnis gönnend.
Wir sind bei Reinout Reniere, der in der Villa kocht und lebt. Die Küche ist winzig, liegt am Ende des Ganges, seine Frau hilft im Service, die Töchter hüpfen nach der Schule die Treppe hinauf, der Kellner im Anzug präsentiert die hausgemachte Brotvielfalt mit gleicher Aufmerksamkeit wie Essen und Wein. Wir sind binnen Minuten entschleunigt, genießen es, zwischen Kristall und Marmorkamin zu sitzen und auf die Gemälde des Vaters von Reinout zu blicken, der sich der Kunst gleichermaßen hingibt wie der Küche.
„Von meinen Eltern habe ich diese unbändige Lust aufs Kochen geerbt. Es liegt mir im Blut“, sagt Reinout Reniere, heute gerade 29 Jahre und seit fünf Jahren bereits Chef des Zeno. Eine Herausforderung, doch das passt zu seinem Lebensmotto: „I don’t like it easy“. Was dem perfekten Auftakt folgt, ist „Plaice“, eine Scholle, die der Koch mit Kürbismousse und Shrimpssoße kombiniert und eine Ente, die wie ein Rehfilet anmutet und von frischen kleinen Gemüsen garniert ist. Es zergeht auf der Zunge. Die Produkte sind handverlesen, Reinout arbeitet mit ausgesuchten Farmern zusammen, hat seinen persönlichen Lieblingsplatz bei Loca Labora, seinem Kräuterlieferanten. Als wir ihn verlassen, tragen wir ein seliges Lächeln im Gesicht.
ZENO, Vlamingstraat 53, 8000 Brugge. www.restaurantzeno.be